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Mit 66 ist noch lange nicht Schluss: Ab wann ist man eigentlich alt?

In Deutschland wird die Bevölkerung immer älter, und die Frage, was es heutzutage bedeutet, alt zu sein, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Fitte Senioren, die aktiv im Alltag stehen, sei es beim Radfahren mit E-Bikes oder im Fitnessstudio, prägen das Bild der älteren Generation. Der demografische Wandel bringt nicht nur Herausforderungen, sondern auch viele Chancen mit sich. Es stellt sich die Frage, ob das hohe Alter ein Gewinn oder eine Belastung darstellt und ob wir ausreichend über diese Veränderungen diskutieren.

Altersvorsorge neu gedacht

Ein Blick auf die heutige Gesellschaft zeigt, dass viele ältere Menschen aktiver und gesünder sind als je zuvor. Ein eindrucksvolles Beispiel ist Johanna Quaas, die mit 98 Jahren immer noch sportlich aktiv ist und als älteste Turnerin der Welt anerkannt wurde. Ihre tägliche Gymnastikroutine und ihr aktiver Lebensstil sind jedoch nicht die Norm, sondern eher die Ausnahme. Der internationale Tag der älteren Menschen am 1. Oktober regt dazu an, über die Ansichten des Alterns nachzudenken und darüber, ob fitte Senioren über 70 oder sogar 100 Jahre bald die Norm sein werden.

Demografische Entwicklung: Von der Pyramide zum Pilz

Die Altersstruktur in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch gewandelt. Wo früher die demografische Pyramide das Bild prägte, ähnelt die heutige Verteilung eher einem Pilz: Mehr ältere Menschen stehen an der Spitze, während immer weniger junge Menschen die Basis bilden. Der Anteil der über 70-Jährigen stieg zwischen 1990 und 2022 von 8 auf 14 Millionen. Diese Entwicklungen bringen auch politische Implikationen mit sich, da mehr als 20 % der Wahlberechtigten in Deutschland mittlerweile über 70 Jahre alt sind.

Die Altersforscherin Adelheid Kuhlmey von der Berliner Charité beschreibt die derzeitige Situation als historisch neu und spricht von einer „Sandwich-Position“, in der die ältere Generation zwischen den eigenen erwachsenen Kindern und ihren alternden Eltern steht. Diese Position kann als Vorteil gesehen werden, da sie dazu beiträgt, dass das Wissen und die Erfahrungen der älteren Generation in die Familien weitergegeben werden.

Die verlängerte Lebensphase: Mit 66 ist noch lange nicht Schluss

Die gesellschaftliche Wahrnehmung des Alters hat sich ebenfalls verändert. Der Deutsche Alterssurvey zeigt, dass Männer und Frauen im Alter von 65 Jahren noch durchschnittlich 16 bis 17 Jahre ohne größere gesundheitliche Beeinträchtigungen leben können. Experten argumentieren sogar, dass 70 das neue 65 ist. Dennoch ist es wichtig zu beachten, dass mit zunehmendem Alter auch gesundheitliche Probleme wie Demenz häufiger auftreten können.

Hochbetagte: Der Abbau beginnt oft mit 85

Ab einem Alter von 85 Jahren beginnen viele Menschen, sowohl körperliche als auch geistige Einbußen zu erfahren. Während das Leben in diesem Alter weiterhin erfüllend sein kann, unterscheidet es sich grundlegend von dem Leben eines 70-Jährigen. Die Unsicherheit darüber, was es bedeutet, alt zu sein, macht das Thema sowohl politisch als auch gesellschaftlich komplex.

Vorsorge und neue Wohnformen: Die Boomer sind gefragt

Die Babyboomer-Generation, geboren zwischen Mitte der 1950er und Ende der 1960er Jahre, steht vor der Herausforderung, das Altern neu zu gestalten. Diese Generation hat bereits Erfahrungen in der Pflege ihrer Eltern gemacht und könnte aus diesen Lehren schöpfen. Kuhlmey hofft, dass alternative Wohnformen wie Alters-WGs oder Mehrgenerationenwohnen in Zukunft gefördert werden. Die Digitalisierung könnte ebenfalls eine unterstützende Rolle im Alltag spielen.

Fehlende Diskussionen über die letzten Dinge

Die Debatte über das Thema Altern wird häufig als naiv betrachtet. Es gibt zu wenige Patientenverfügungen und kaum öffentliche Diskussionen über die letzten Lebensjahre. Diese Diskussionen sind jedoch wichtig, um zu klären, welche medizinischen Leistungen im Alter von 85 Jahren noch sinnvoll sind und welche nicht. Soziale Teilhabe bleibt entscheidend für ein erfülltes Leben im hohen Alter.

Altern in Zahlen und im Wandel der Zeit

Das Verhältnis zum Alter hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert. Ab 1871 wurden die ersten Sterbetafeln veröffentlicht, die eine Lebenserwartung von 38,5 Jahren für Frauen und 35,5 Jahren für Männer auswiesen. Laut aktuellen Daten liegt die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer bei 78,3 Jahren und für Frauen bei 83,2 Jahren. Diese Entwicklung zeigt, dass immer mehr Menschen über 85 Jahre alt werden. Im Jahr 1991 lebten in Deutschland etwa 1,2 Millionen Menschen über 85 Jahre; dieser Wert hat sich bis 2022 mehr als verdoppelt.

Wann beginnt das Altern?

Ein weiterer Aspekt des Altersempfindens ist die Tatsache, dass körperliches Altern oft bereits im frühen Erwachsenenalter beginnt, auch wenn viele Menschen dies nicht sofort wahrnehmen. Bereits im frühen Erwachsenenalter kann die Ausdauer nachlassen, und erste Alterungszeichen wie graue Haare und Falten können auftreten.

Kann man das Altern verlangsamen?

Der Lebensstil beeinflusst den Alterungsprozess erheblich. Eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, der Verzicht auf Risikofaktoren wie übermäßigen Alkoholkonsum und Stressreduzierung können dazu beitragen, das Altern zu verlangsamen. Studien zeigen, dass sich das individuelle Empfinden des Alters mit der Zeit verändert und dass Menschen, je älter sie werden, den Beginn des Alterseins immer weiter nach hinten schieben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Frage, ab wann man als alt gilt, komplex ist und sowohl biologische als auch gesellschaftliche Faktoren berücksichtigt werden müssen. Während viele Menschen sich mit 66 Jahren noch jung fühlen und aktiv am Leben teilnehmen, gibt es auch eine realistische Perspektive auf die Herausforderungen des Alterns. In jedem Fall bleibt es von großer Bedeutung, das Thema Altern offen zu diskutieren und eine angemessene Altersvorsorge sowie soziale Teilhabe zu fördern.

Quellen:

  • Der Standard
  • dpa
  • destatis.de
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