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Tupfer vergessen, falsches Bein operiert: 454 Fälle von Behandlungsfehlern in Berlin-Brandenburg

Die Diskussion über Behandlungsfehler in der Medizin in Deutschland erhält durch aktuelle Berichte neuen Auftrieb. Besonders die Region Berlin-Brandenburg sieht sich mit alarmierenden Zahlen konfrontiert. Im Jahr 2023 dokumentierte der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) insgesamt 1.447 Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern. Von diesen Fällen konnten in rund einem Drittel, konkret in 489 Fällen, Behandlungsfehler festgestellt werden. In 454 Fällen wurde zudem ein direkter Zusammenhang zwischen dem festgestellten Fehler und einem entstandenen Schaden bestätigt.

Die Natur dieser Fehler ist vielfältig und reicht von der operativen Behandlung am falschen Körperteil bis hin zu vergessenen Tupfern im Bauchraum, was die Komplexität und die potenziellen Gefahren von Fehleingriffen verdeutlicht. Mediziner weisen darauf hin, dass solche Vorfälle nicht nur auf individueller Fahrlässigkeit basieren. Vielmehr sind sie Ausdruck systematischer Probleme im Gesundheitswesen, die eine sorgfältige Analyse und eine Überarbeitung der bestehenden Abläufe erfordern.

Statistische Einordnung der Behandlungsfehler

Im Jahr 2022 gab es in Deutschland insgesamt 16,8 Millionen Krankenhausbehandlungen, und laut einem Weißbuch des Aktionsbündnisses Patientensicherheit sind die Autoren der Meinung, dass in etwa einem Prozent dieser Behandlungen Behandlungsfehler auftreten. Dies würde bedeuten, dass zehntausende von Patienten jährlich betroffen sind. Der MDK hob hervor, dass 97 Prozent der Behandlungsfehler nicht gemeldet oder nachverfolgt werden. Dies zeigt die Schattenseite der gesundheitlichen Versorgung und verdeutlicht, wie wichtig eine systematische Erfassung von Fehlern ist.

Die Rolle der Politik und rechtliche Rahmenbedingungen

Der Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Bund, Stefan Gronemeyer, kritisierte die Untätigkeit des Bundesgesundheitsministeriums in Bezug auf die Einführung einer Meldepflicht für Behandlungsfehler. Der fehlende politische Wille, ein solches Register zu schaffen, wird als eine der Hauptursachen für die mangelhafte Erfassung dieser Vorfälle angesehen. Während Länder wie Großbritannien und die Schweiz bereits Systeme zur Erfassung und Veröffentlichung schwerer Behandlungsfehler etabliert haben, sieht sich Deutschland noch in der Anfangsphase.

Die Hürden für Patienten, die Entschädigung für Behandlungsfehler einfordern möchten, sind hoch, da die Beweislast oft beim Patienten liegt. Dies stellt eine zusätzliche Belastung dar, insbesondere für diejenigen, die bereits unter den Folgen eines Behandlungsfehlers leiden. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze, fordert eine Absenkung des Beweismaßes, um den Zugang zu rechtlichem Schutz für Patienten zu erleichtern.

Präventionsmaßnahmen und Verbesserung der Patientensicherheit

Dr. Axel Meeßen, Vorstandsvorsitzender des MDK Berlin-Brandenburg, betont, dass mehr Transparenz und systematische Präventionsmaßnahmen notwendig sind, um das Risiko von Behandlungsfehlern zu minimieren. Hochwertige Daten seien eine wichtige Voraussetzung, um Verbesserungspotenziale zu identifizieren und Maßnahmen zur Sicherung der Behandlungsabläufe zu bewerten. Die Verwendung von Checklisten und Markierungen bei operativen Eingriffen könnte dazu beitragen, Fehler wie die Operation am falschen Körperteil zu vermeiden.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Die Diskussion über Behandlungsfehler ist ein vielschichtiges Thema, das sowohl rechtliche als auch ethische Fragestellungen aufwirft. Der MDK und andere Organisationen fordern eine umfassende Reform und die Implementierung eines Meldesystems für Behandlungsfehler. Dies könnte dazu beitragen, nicht nur die Patientensicherheit zu erhöhen, sondern auch das Vertrauen in das Gesundheitssystem zu stärken. Solange Deutschland in dieser Hinsicht zurückhaltend bleibt, werden viele Patienten weiterhin mit den Folgen von Behandlungsfehlern kämpfen müssen, ohne dass ihre Anliegen angemessen berücksichtigt werden.

Die Herausforderungen im deutschen Gesundheitswesen sind erheblich, und es bleibt abzuwarten, wie sich die politischen Rahmenbedingungen entwickeln werden, um die notwendige Transparenz und Sicherheit für alle Patienten zu gewährleisten.

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 in Kategorie: 
Politik

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