Berlin: Durch 50 Kilometer des Gasnetzes soll künftig Wasserstoff fließen
Die Stadt Berlin steht vor einer bedeutenden Transformation ihrer Energieinfrastruktur. Der Energieversorger Gasag und die Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB) haben bekannt gegeben, dass über 50 Kilometer des bestehenden Gasverteilnetzes in Berlin künftig für den Transport von Wasserstoff umgerüstet werden sollen. Diese Maßnahme erfolgt im Rahmen des nationalen Projekts, ein Netzwerk von mehr als 9.000 Kilometern Wasserstoffleitungen in Deutschland aufzubauen, das auch mehrere Heizkraftwerke in der Hauptstadt mit CO₂-freiem Wasserstoff versorgen wird.
Der Plan sieht vor, dass eine Leitung im Osten und eine im Westen Berlins Teil der neuen sogenannten "Wasserstoff-Autobahn" werden. In den vergangenen Monaten wurden die betreffenden Leitungsabschnitte auf ihre Eignung für den Wasserstofftransport geprüft. Es werden ausschließlich Leitungen ausgewählt, die nicht mehr für die Gasversorgung benötigt werden, wodurch die Umstellung effizient gestaltet werden kann.
Mit dieser Umrüstung könnten bis zu einem Fünftel der Berliner Wohngebäude, die über einen Fernwärmeanschluss verfügen, von der Nutzung des CO₂-freien Wasserstoffs profitieren. Diese Umstellung ist ein Schritt in Richtung einer nachhaltigen Energiezukunft und Teil der Bemühungen, den CO₂-Ausstoß in Berlin zu reduzieren. Der Berliner Senat hat bereits angekündigt, den Standort Adlershof als Forschungszentrum für Wasserstofftechnologien auszubauen, um die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich voranzutreiben.
Am Dienstag erhielt das Wasserstoffkernnetz von der Bundesnetzagentur grünes Licht. Bundesenergieminister Robert Habeck bezeichnete die Genehmigung als einen wichtigen Fortschritt. Er erklärte, dass von der Idee bis zur Genehmigung nur zweieinhalb Jahre vergangen sind, was als rekordverdächtig gilt. Der Bau des Wasserstoffnetzes soll schrittweise beginnen, und einige Teilstrecken sollen bereits vor dem Zieljahr 2032 fertiggestellt werden.
Das Wasserstoffkernnetz wird mit einer Gesamtlänge von 9.040 Kilometern allerdings kleiner sein als ursprünglich geplant, da mehr als 600 Kilometer aus dem ursprünglichen Antrag gestrichen wurden. Diese Entscheidung wurde getroffen, um unnötige Redundanzen und Anbindungsleitungen zu vermeiden. Dennoch betonte Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, dass kein Bundesland ohne Anschluss bleiben werde, und dass es sich um einen dynamischen Prozess handele.
Die Umrüstung bestehender Gasleitungen wird einen Großteil des neuen Wasserstoffnetzes ausmachen, wobei 60 Prozent des Gesamtnetzes aus umgewidmeten Erdgasleitungen bestehen sollen. Dennoch bleibt die Versorgung mit Erdgas gesichert, da auch neue Erdgasleitungen gebaut werden, um die Versorgungsicherheit in der Übergangszeit zu gewährleisten. Die Kosten für den Um- und Ausbau belaufen sich auf rund 19,8 Milliarden Euro, wobei ein großer Teil durch die Privatwirtschaft getragen werden soll.
Die Bedeutung des Projekts für die Energieversorgung in Deutschland ist enorm, da Wasserstoff als klimafreundliche Alternative zu fossilen Brennstoffen gilt. Das Wasserstoffkernnetz soll nicht nur für den Transport von Wasserstoff, sondern auch für die Errichtung einer Importinfrastruktur für Wasserstoff dienen. Nach Angaben der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber könnte das Netz jährlich bis zu 278 Terawattstunden an Wasserstoff transportieren, was etwa einem Drittel des aktuellen Erdgasverbrauchs entspricht.
In Berlin wird derzeit auch an einem großen Pilotprojekt in der Kläranlage Schönerlinde gearbeitet, bei dem Wasserstoff aus geklärtem Abwasser gewonnen wird. Dieses Projekt könnte eine wichtige Rolle bei der zukünftigen Wasserstoffproduktion spielen und zeigt, dass auch Abfallprodukte in der Energiewende eine wertvolle Ressource darstellen können. Der Prozess der Wasserstoffproduktion könnte durch innovative Technologien weiter optimiert werden, um die Effizienz zu steigern.
Wasserstoff wird nicht nur für die Energieerzeugung benötigt, sondern auch in der Industrie, insbesondere in der Stahlproduktion, wo große Mengen Wasserstoff benötigt werden, um den Einsatz von Kohle zu reduzieren. Auch für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen und chemischen Produkten wird Wasserstoff eine entscheidende Rolle spielen. Die Umstellung auf Wasserstoff als Energieträger ist daher nicht nur eine Frage der Energieversorgung, sondern auch eine Frage der wirtschaftlichen Zukunft Deutschlands.
Die Reaktionen auf die geplanten Wasserstoffleitungen sind gemischt. Während Verbände wie die Deutsche Energie-Agentur (Dena) die Genehmigung als richtungsweisend bezeichnen, äußern andere Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit von zusätzlichen Verteilnetzen, um auch kleinere Unternehmen anzuschließen. Kritiker aus den südlichen Bundesländern befürchten, dass ihre Regionen von den Plänen abgehängt werden könnten. Bundesminister Habeck betonte jedoch, dass die Überlegungen wirtschaftliche Effizienz und eine gewisse Flexibilität in der Planung erforderten, um allen Bundesländern eine Anbindung zu gewährleisten.
Die Umsetzung des Wasserstoffprojekts in Berlin könnte ein Modell für andere Städte und Regionen in Deutschland bieten, die ebenfalls ihre Energieinfrastruktur modernisieren und auf nachhaltige Alternativen umstellen möchten. Die kommenden Jahre werden entscheidend sein, um zu beobachten, wie die geplanten Wasserstoffleitungen umgesetzt werden und welche weiteren Schritte notwendig sind, um die Dekarbonisierung der Energieversorgung voranzutreiben.
Insgesamt wird die Umstellung auf Wasserstoff als Energiequelle als Schritt in die richtige Richtung angesehen, um die Klimaziele zu erreichen und eine nachhaltige Energiezukunft zu gestalten. Die Entwicklungen in Berlin werden in den kommenden Monaten und Jahren genau beobachtet werden, da sie möglicherweise weitreichende Auswirkungen auf die Energiewende in Deutschland haben.