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Staatsanwaltschafts angefragt: Berliner Datenschutzbeauftragte überprüft Einsatz von Gesichtserkennungssoftware

Die Debatte um den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware in der Polizeiarbeit hat in Berlin an Intensität gewonnen. Die Datenschutzbeauftragte der Hauptstadt hat sich eingeschaltet und die Staatsanwaltschaft um Auskünfte zum Einsatz dieser Technologie gebeten. Anlass der Überprüfung sind Bedenken hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen und der möglichen Auswirkungen auf die Bürgerrechte.

Wie die Berliner Datenschutzbeauftragte mitteilte, besteht insbesondere bei einem großflächigen Einsatz von biometrischer Gesichtserkennung die Gefahr, dass eine Vielzahl von unbeteiligten Personen erfasst werden könnte. Dies stellt einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Die Behörde sieht für solche Anwendungen in der Regel keine ausreichende Rechtsgrundlage in der Strafprozessordnung oder im Landespolizeigesetz.

Der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware ist in der Berliner Staatsanwaltschaft bereits in mehreren Ermittlungsverfahren durchgeführt worden. Diese Einsätze fanden jedoch nicht in Berlin selbst statt, sondern im Rahmen von Amtshilfe in den Bundesländern Brandenburg und Sachsen. Dabei ging es um die Identifizierung von Verdächtigen und die Beobachtung von Fluchtrouten von organisierten Diebesbanden. In sechs Verfahren, die von der Staatsanwaltschaft bearbeitet wurden, waren insgesamt 31 mutmaßliche Täter betroffen. Dies ist unter anderem durch eine Anfrage der Grünen im Berliner Senat bekannt geworden.

Die Diskussion über den Einsatz solcher Technologien hat sich vor allem nach der Festnahme der ehemaligen RAF-Terroristin Daniela Klette aufgeheizt. Berichten zufolge wurden Fotos von ihr, die während ihrer Tätigkeiten in Berlin aufgenommen wurden, bereits Monate zuvor durch moderne Suchprogramme entdeckt – jedoch nicht von der Polizei, die auf hohe rechtliche Hürden verweist, die den Einsatz solcher Software regeln.

Die Kritik an der Gesichtserkennungssoftware kommt nicht nur von Datenschützern, sondern auch von politischen Akteuren. Die Grünen in Berlin und Brandenburg haben mehr Transparenz gefordert und äußern Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Einsatzes solcher Technologien ohne eine klare gesetzliche Grundlage. Die Berliner Polizei hat bereits klargestellt, dass für die Amtshilfe in anderen Bundesländern keine finanziellen Mittel geflossen sind und dass sie nicht plant, eigene Systeme zur Gesichtserkennung anzuschaffen.

Die Thematik rund um den Einsatz von Gesichtserkennungssystemen ist komplex und vielschichtig. Kritiker argumentieren, dass der Einsatz solcher Systeme nicht nur die Anonymität im öffentlichen Raum gefährdet, sondern auch zu einem „Chilling-Effekt“ führen könne. Menschen könnten sich eingeschüchtert fühlen und beispielsweise aus Angst vor staatlicher Überwachung auf die Teilnahme an Demonstrationen verzichten. Dies könnte insbesondere für Journalisten, die sich mit anonymen Quellen treffen möchten, problematisch sein.

Einige Experten warnen davor, dass der Einsatz von Gesichtserkennungstechnik auf eine dystopische Zukunft hindeutet. Matthias Marx vom Chaos Computer Club betont, dass diese Technologie eine neue Dimension der Überwachung darstellt und das Potenzial hat, Bewegungsprofile von Personen im öffentlichen Raum zu erstellen. Solche Datenanalysen könnten schließlich die freie Persönlichkeitsentfaltung im öffentlichen Raum stark einschränken.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Gesichtserkennung sind derzeit unklar. Kritiker wie Simone Ruf, Juristin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte, weisen darauf hin, dass es bisher keine parlamentarische Auseinandersetzung zu dieser Thematik gegeben habe. Im Ampel-Koalitionsvertrag auf Bundesebene lehnen die Regierungsparteien einen derartigen Einsatz ab. Es bleibt fraglich, wie die Polizei mit den bestehenden rechtlichen Unsicherheiten umgehen wird und welche Maßnahmen zur Regelung des Einsatzes von Gesichtserkennungstechnologien ergriffen werden.

Die Berliner Datenschutzbeauftragte hat betont, dass es wichtig ist, den Einsatz von Gesichtserkennungssystemen transparent zu gestalten und sicherzustellen, dass alle Maßnahmen im Einklang mit den bestehenden Gesetzen stehen. In dieser Hinsicht wird die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft entscheidend sein, um mögliche rechtswidrige Datenmissbräuche zu vermeiden und den Schutz der Privatsphäre der Bürger zu gewährleisten.

Die Diskussion über Gesichtserkennung und digitale Überwachung wird in den kommenden Monaten voraussichtlich weiter an Bedeutung gewinnen, sowohl in Berlin als auch in anderen Bundesländern. Der Einsatz solcher Technologien könnte weitreichende Konsequenzen für das Verhältnis zwischen Bürgern und Staat haben und muss daher mit höchster Sorgfalt behandelt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Einsatz von Gesichtserkennung in der Polizeiarbeit eine kontroverse und rechtlich schwierige Angelegenheit darstellt. Die Bedenken der Datenschutzbeauftragten sowie die Forderungen nach mehr Transparenz und rechtlicher Klarheit müssen ernst genommen werden. Die gesellschaftliche Debatte über den richtigen Umgang mit dieser Technologie hat gerade erst begonnen und wird in den kommenden Monaten weitergeführt werden müssen.

Quellen:

  • Der Standard
  • dpa
  • Tagesspiegel
  • nd-aktuell
  • NOZ
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 in Kategorie: 
Politik

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