Berlin: Mieter (85) darf doch bleiben – Gericht kippt erstes Urteil
In einem wichtigen Urteil hat das Landgericht Berlin entschieden, dass der 85-jährige Mieter Manfred Moslehner, auch bekannt als „Manne“, in seiner Wohnung in der Reinickendorfer Siedlung „Am Steinberg“ bleiben darf. Dieses Urteil stellt eine Umkehrung der Entscheidung des Amtsgerichts Wedding dar, das im April 2024 entschieden hatte, dass Moslehner seine Wohnung räumen müsse. Der Fall hat nicht nur persönliche Tragik, sondern wirft auch ein Licht auf die Herausforderungen, denen sich viele Mieter in Berlin gegenübersehen.
Manfred Moslehner lebt seit seiner Geburt im Jahr 1939 in der besagten Siedlung. Er bewohnt die Wohnung seit 1978 und hat in dieser Zeit zahlreiche Veränderungen in der Nachbarschaft miterlebt. Die Siedlung war ursprünglich im Besitz des Landes, wurde jedoch 2010 an private Eigentümer verkauft. Die neuen Eigentümer hatten angestrebt, die Häuser zu sanieren und die Mieten signifikant zu erhöhen, was viele der langjährigen Mieter, einschließlich Moslehners, vor große Herausforderungen stellte.
Die Kündigung von Moslehner durch den Vermieter basierte auf der Behauptung, dass er die geplanten Modernisierungsmaßnahmen über Jahre hinweg verweigert hatte. Das Amtsgericht Wedding hatte diese Kündigung im ersten Urteil als rechtmäßig erachtet und Moslehner eine Räumungsfrist von drei Monaten eingeräumt. Zudem hätte der Rentner eine Sicherheitsleistung von etwa 4.300 Euro hinterlegen müssen, um im Haus bleiben zu können, während der Fall durch die Instanzen ging.
Die Entscheidung des Landgerichts in zweiter Instanz hat das Urteil des Amtsgerichts jedoch nun als unwirksam erklärt. Die Richter führten aus, dass die Kündigung nicht rechtens war, da der Vermieter nicht genügend Rücksicht auf die gesundheitliche Situation des Mieters genommen habe. Moslehner gibt an, dass er über ein Einkommen von etwa 1.000 Euro verfügt, was eine Mieterhöhung für ihn untragbar machen würde. Das Gericht stellte fest, dass die angekündigten Sanierungsarbeiten ohne eine vorübergehende räumliche Verlagerung des Mieters hätten durchgeführt werden können.
Die Vorsitzende Richterin betonte, dass insbesondere bei älteren Mietern, wie Moslehner, vermehrte Rücksichtnahme erforderlich sei. Die vorgelegte ärztliche Bescheinigung, die Moslehners Gesundheitszustand dokumentierte, sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Das Gericht wies zudem darauf hin, dass die Vermieterin nicht rechtmäßig gehandelt habe, indem sie Moslehner mit „nicht rechtmäßigen Schreiben“ unter Druck gesetzt habe.
Die Entscheidung ist nicht nur für Moslehner, sondern auch für die anderen Mieter in der Siedlung von Bedeutung. Viele von ihnen haben ebenfalls mit Kündigungen und Mieterhöhungen zu kämpfen. Von ursprünglich 50 Mietern in der Siedlung sind mittlerweile nur noch etwa 20 übrig, und die Mieten haben sich in einigen Fällen mehr als verdreifacht. Diese Entwicklung wirft Fragen zur Erschwinglichkeit von Wohnraum auf und stellt eine Herausforderung für die soziale Stabilität in der Region dar.
Nach dem Urteil äußerte Moslehner seine Erleichterung: „Ich bin wieder voll im Leben. Man hat mir das genommen, jetzt habe ich es wieder.“ Sein Anwalt, Henrik Solf, warnte jedoch, dass die Angelegenheit für Moslehner noch nicht endgültig geklärt sei. Der Investor könnte weitere Versuche unternehmen, ihn zur Räumung zu bewegen, zumal die Entscheidung des Gerichts nicht das Ende der rechtlichen Auseinandersetzungen bedeutet.
Die Verteidigerin des Investors hat bereits angekündigt, das Urteil zu prüfen und mögliche weitere Schritte zu planen. Dies könnte auch andere Mieter der Siedlung betreffen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Die Unsicherheit über die zukünftige Wohnsituation bleibt somit bestehen.
Der Fall von Manfred Moslehner illustriert die Herausforderungen, vor denen viele langjährige Mieter in Berlin stehen. Die Problematik umfasst nicht nur individuelle Schicksale, sondern spiegelt auch die breiteren sozialen und wirtschaftlichen Trends auf dem Berliner Wohnungsmarkt wider. Angesichts steigender Mieten und der fortschreitenden Gentrifizierung wird es zunehmend schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden, insbesondere für ältere Menschen und einkommensschwache Haushalte.
Die Entscheidung des Landgerichts kann als Etappensieg für Moslehner und die verbliebenen Mieter in der Siedlung gedeutet werden. Sie zeigt, dass trotz der schwierigen Umstände rechtliche Mittel bestehen, um gegen unrechtmäßige Kündigungen vorzugehen. Auf politischer Ebene bleibt jedoch die Frage, wie die Stadt Berlin auf die Herausforderungen des Wohnungsmarktes reagieren wird, um die Rechte der Mieter zu schützen und für eine angemessene Wohnsituation zu sorgen.
Insgesamt verdeutlicht der Fall nicht nur die persönlichen Kämpfe der Betroffenen, sondern auch die Notwendigkeit eines umfassenden rechtlichen und politischen Rahmens zum Schutz von Mietern in Berlin, um ähnliche Situationen in Zukunft zu verhindern.
Quellen: rbb24, Tagesspiegel, nd