Gedenkstele für Clara Immerwahr-Haber: Sie war die erste promovierte Chemikerin Deutschlands
Clara Helene Immerwahr, geboren am 21. Juni 1870 in Polkendorf bei Breslau, war eine herausragende deutsche Chemikerin, die im Jahr 1900 an der Universität Breslau promoviert wurde. Damit wurde sie zur ersten Frau in Deutschland, die einen Doktorgrad in Chemie erwarb. Ihre bedeutenden wissenschaftlichen Beiträge fanden in einem neu aufkommenden Bereich, der physikalischen Chemie, statt. Trotz ihrer akademischen Erfolge war ihr Leben von persönlichen Tragödien geprägt, die schließlich zu ihrem Suizid im Jahr 1915 führten.
Leben und Ausbildung
Clara Immerwahr wurde in eine wohlhabende jüdische Familie geboren. Ihr Vater, Philipp Immerwahr, war promovierter Chemiker und ein aufgeklärter Freigeist. Die Familie lebte in einem Umfeld, das Wert auf Bildung legte, und Clara erhielt von klein auf eine fundierte Erziehung. Nachdem sie bis zu ihrem siebten Lebensjahr von einem Privatlehrer unterrichtet worden war, besuchte sie eine höhere Töchterschule.
Nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1890 zog Clara mit ihrem Vater nach Breslau. Dort setzte sie ihre Ausbildung fort und zeigte ein starkes Interesse für Naturwissenschaften. Im Jahr 1896 wurde sie an der Universität Breslau als Gasthörerin für Chemie zugelassen. Clara schloss erfolgreich das Lehrerinnenseminar ab und legte im Jahr 1897 das Abitur ab, was ihr den Zugang zu den Hochschulen ermöglichte.
Akademische Karriere
Clara Immerwahr setzte ihr Chemiestudium an der Universität Breslau fort, wo sie unter anderem von Richard Abegg, einem bedeutenden Chemiker, betreut wurde. Im Jahr 1900 promovierte sie mit einer Dissertation über schwerlösliche Salze, die große Beachtung fand. Diese akademischen Leistungen waren bemerkenswert, zumal Frauen zu jener Zeit oft der Zugang zu höheren Bildungseinrichtungen verwehrt blieb. Clara war nicht nur die erste promovierte Chemikerin Deutschlands, sondern auch ein Vorbild für viele Frauen in der Wissenschaft.
Ehe mit Fritz Haber
Im Jahr 1901 heiratete Clara den Chemiker Fritz Haber, der später für seine Arbeit im Bereich der chemischen Kriegsführung bekannt wurde. Diese Ehe war von Anfang an von Schwierigkeiten geprägt. Während Clara sich als Wissenschaftlerin behaupten wollte, musste sie aufgrund der gesellschaftlichen Konventionen ihre Karriere aufgeben. Die Rolle der Frau als „Hort der Familie“ war zur damaligen Zeit stark ausgeprägt und schränkte ihre Möglichkeiten erheblich ein.
Der Gaskrieg und seine Folgen
Die Heirat und die anschließende Geburt ihres Sohnes 1902 führten zu einer zunehmenden Entfremdung zwischen Clara und Fritz Haber. Besonders belastend war für sie die Rolle ihres Mannes im Ersten Weltkrieg und in der chemischen Kriegsführung. Clara war eine überzeugte Pazifistin und stand der Nutzung von Chemie zur Kriegführung kritisch gegenüber. In einem ihrer Briefe bezeichnete sie die Anwendungen der Chemie in der Kriegsführung als „Perversion der Wissenschaft“.
Suizid und Vermächtnis
Am 2. Mai 1915 nahm sich Clara Immerwahr das Leben, was als Reaktion auf die Rolle ihres Mannes in der chemischen Kriegsführung verstanden wird. Ihr Tod hinterließ ein starkes Echo in der Öffentlichkeit und führte zu zahlreichen Diskussionen über die Verantwortung von Wissenschaftlern in Kriegszeiten. Die Biografien, die über Clara Immerwahr verfasst wurden, zeigen sie als eine komplexe Figur, die zwischen ihrer Leidenschaft für die Wissenschaft und den gesellschaftlichen Erwartungen hin- und hergerissen war.
Öffentliche Rezeption und Ehrungen
In den letzten Jahrzehnten hat sich das Bild von Clara Immerwahr gewandelt. Sie wird oft als Vorbild für Frauen in der Wissenschaft und als Symbol für den Widerstand gegen militaristische Ansätze in der Forschung betrachtet. Ihre Rolle als erste promovierte Chemikerin Deutschlands und ihr tragisches Schicksal haben sie zu einer wichtigen Figur in der Wissenschaftsgeschichte gemacht. Zahlreiche Straßen und Plätze tragen ihren Namen, und im Jahr 2020 wurde in Erlangen eine Gedenkstele eingeweiht, die ihr Leben und Wirken würdigt.
Schlussfolgerung
Die Gedenkstele für Clara Immerwahr-Haber ist nicht nur eine Erinnerung an ihre wissenschaftlichen Leistungen, sondern auch ein Mahnmal für die Herausforderungen, denen Frauen in der Wissenschaft gegenüberstanden. Ihr Leben und ihr tragisches Ende werfen wichtige Fragen zur Verantwortung von Wissenschaftlern und zur Rolle von Frauen in der Gesellschaft auf. Clara Immerwahr bleibt ein inspirierendes Beispiel für künftige Generationen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Quellen: Der Standard, dpa