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Krise im Berliner Rettungsdienst: Bitte nicht beschönigen

Krise im Berliner Rettungsdienst: Bitte nicht beschönigen

Der Berliner Rettungsdienst steht aktuell vor einer erheblichen Herausforderung, die sich in einem chronischen Personalmangel und einer dramatischen Unterbesetzung der Rettungswagen äußert. Im Jahr 2022 wurde an nahezu jedem Tag der „Ausnahmezustand Rettungsdienst“ ausgerufen, was bedeutet, dass nicht genügend Rettungsfahrzeuge zur Verfügung standen, um die Notfallversorgung der Bevölkerung zuverlässig zu garantieren. In einigen Fällen mussten sogar Löschfahrzeuge Verletzte ins Krankenhaus transportieren, da keine Rettungswagen mehr frei waren. Diese Situation hat besorgniserregende Ausmaße angenommen und benötigte dringend öffentliche Aufmerksamkeit.

Wie berichtet von der dpa, sind die Einsatzkräfte unter einem immensen Druck und sind gezwungen, zusätzliche Rettungsdienste zu aktivieren, wenn die regulären Fahrzeuge überlastet sind. Dies führt nicht nur zu längeren Wartezeiten für Patienten, sondern auch zu einem erhöhten Stresslevel für das Personal, das bereits an der Grenze seiner Belastbarkeit arbeitet.

Die Ursachen der Krise

Ein zentraler Aspekt der aktuellen Krise im Berliner Rettungsdienst ist die steigende Anzahl von Notrufen. Notfallmediziner und Politiker haben festgestellt, dass die Notrufe seit Jahren zunehmen, was auf verschiedene gesellschaftliche Veränderungen zurückzuführen ist. Ein alternder Bevölkerungsanteil, zunehmende Einsamkeit und ein Rückgang sozialer Netzwerke tragen zu dieser Entwicklung bei. Zudem ist die Ökonomisierung im Gesundheitswesen ein wesentlicher Faktor; viele Patienten werden immer früher aus dem Krankenhaus entlassen, ohne ausreichend Unterstützung zu Hause zu haben.

Die Berliner Feuerwehr hat festgestellt, dass nur etwa 146 von rund 200 Rettungswagen tatsächlich einsatzbereit sind. Dies ist alarmierend, insbesondere wenn man bedenkt, dass von 1.048 Rettungssanitätern nur etwa 750 aktiv im Dienst sind, während der Rest aufgrund von Krankheit oder administrativen Aufgaben nicht eingesetzt werden kann. Der Fachkräftemangel betrifft nicht nur Berlin, sondern ist ein verbreitetes Problem in vielen europäischen Großstädten.

Politische Maßnahmen zur Verbesserung der Situation

Um dieser Krise entgegenzuwirken, hat die Innensenatorin Iris Spranger einen Maßnahmenplan vorgestellt, der mehrere Schritte zur Entlastung des Berliner Rettungsdienstes vorsieht. Dazu gehört die Unterstützung durch Hilfsorganisationen wie den Arbeiter-Samariter-Bund, die zur Bereitstellung von fünf zusätzlichen Rettungswagen beitragen sollen. Außerdem sollen die Dienstpläne optimiert werden, um die vorhandenen Ressourcen effizienter zu nutzen.

Ein wesentlicher Bestandteil des Plans ist eine Aufklärungskampagne, die die Bevölkerung darüber informieren soll, wann es sinnvoll ist, den Notruf 112 zu wählen, und wann der ärztliche Bereitschaftsdienst unter der Nummer 116 117 in Anspruch genommen werden kann. Diese Kampagne soll dazu beitragen, die Belastung des Rettungsdienstes zu minimieren und die Auftragsverteilung zu optimieren.

Kritik an der aktuellen Strategie

Darüber hinaus gibt es Stimmen aus der Feuerwehr, die auf die Notwendigkeit hinweisen, die Organisation der Leitstelle zu reformieren. Kritiker argumentieren, dass die Einsatzkräfte zu oft zu Bagatellfällen geschickt werden, was die Verfügbarkeit der Rettungswagen für schwerwiegendere Notfälle verringert. Diese Problematik muss angegangen werden, um die Effizienz und Reaktionszeit des Rettungsdienstes zu verbessern.

Der Weg in die Zukunft

Die Berliner Feuerwehr hat bereits einige Schritte unternommen, um die Situation zu verbessern, darunter die Einführung neuer Konzepte zur Kategorisierung von Einsätzen und die Rückkehr von personal auf die Rettungswagen. Diese Maßnahmen könnten langfristig dazu beitragen, die Effizienz des Rettungsdienstes zu steigern und die Belastung der Rettungskräfte zu reduzieren.

Ein entscheidender Faktor für die nachhaltige Verbesserung der Situation ist jedoch die Notwendigkeit, mehr Fachkräfte auszubilden und in den Dienst zu bringen. Es ist unerlässlich, dass die Berliner Feuerwehr nicht nur ihre aktuellen Mitarbeiter besser nutzt, sondern auch aktiv in die Ausbildung neuer Rettungssanitäter investiert, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden.

Schlussfolgerung

Die Krise im Berliner Rettungsdienst ist eine komplexe Herausforderung, die sowohl strukturelle als auch gesellschaftliche Ursachen hat. Die geplanten Maßnahmen sind ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch müssen alle Beteiligten, einschließlich der politischen Entscheidungsträger, Fachkräfte und der Öffentlichkeit, zusammenarbeiten, um eine nachhaltige Lösung zu finden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Bevölkerung auch in Zukunft im Notfall schnell und effizient versorgt wird.

Die Situation im Berliner Rettungsdienst muss weiterhin kritisch beobachtet werden. Es bleibt zu hoffen, dass die eingeleiteten Maßnahmen bald fruchtbare Ergebnisse liefern und die Notwendigkeit für einen „Ausnahmezustand“ in der Notfallrettung in Berlin bald der Vergangenheit angehört.

Quellen:

Der Standard, dpa, Tagesspiegel, taz

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 in Kategorie: 
Politik

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