Nachhaltiger Beton: Wie das Berliner Start-up Alcemy die CO₂-Emissionen in der Bauindustrie mit Künstlicher Intelligenz reduziert
Die Betonindustrie ist ein wesentlicher Bestandteil der modernen Bauwirtschaft, spielt jedoch auch eine entscheidende Rolle bei der globalen Klimaerwärmung. Schätzungen zufolge ist die Zement- und Betonproduktion für nahezu acht Prozent der weltweiten und zwei Prozent der deutschen CO₂-Emissionen verantwortlich. Angesichts der wachsenden Nachfrage nach Bauvorhaben steht die Branche vor der Herausforderung, umweltfreundlichere Lösungen zu finden. Das Berliner Start-up Alcemy hat sich dieser Herausforderung angenommen und setzt auf Künstliche Intelligenz (KI), um den CO₂-Ausstoß in der Beton- und Zementherstellung erheblich zu reduzieren.
Der Umweltimpact der Betonproduktion
Beton ist einer der am häufigsten verwendeten Baustoffe der Welt, doch seine Herstellung ist extrem energieintensiv. Insbesondere die Produktion von Zementklinker, einem Hauptbestandteil von Zement, erfordert Temperaturen von über 1450 Grad Celsius. Dieser Prozess setzt große Mengen CO₂ frei, da beim Brennen von Kalkstein und anderen Rohstoffen CO₂ entsteht. Die steigende Bautätigkeit und die damit verbundene Nachfrage nach Beton verstärken diesen negativen Umwelteinfluss.
Die Lösung: Künstliche Intelligenz von Alcemy
Alcemy wurde 2018 von Leopold Spenner und Dr. Robert Meyer gegründet und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Zement- und Betonproduktion durch innovative Softwarelösungen nachhaltiger zu gestalten. Durch den Einsatz von maschinellem Lernen und Regelungstechnik können die Qualitätseigenschaften von Zement und Beton in Echtzeit vorhergesagt werden. Die Software ermöglicht es Herstellern, die verwendete Menge an Zementklinker optimal zu steuern, wodurch CO₂-Emissionen signifikant gesenkt werden können.
Funktionsweise der Alcemy-Software
Die Alcemy-Technologie analysiert historische Daten zu Zementmischungen, um Muster zu erkennen und Vorhersagen über die Festigkeit und andere Eigenschaften neuer Mischungen zu treffen. Dies geschieht durch die Auswertung von Informationen wie der Zusammensetzung der Mischung, der Feinheit des Klinkers und den hinzugefügten Zusatzstoffen. Ziel ist es, die Menge an Zementklinker zu minimieren, während gleichzeitig die erforderlichen Festigkeitsstandards eingehalten werden.
Einbindung in die Wertschöpfungskette
Um nachhaltige Betone zum neuen Standard im Bauwesen zu machen, ist es entscheidend, alle Akteure in der Bauindustrie einzubeziehen. Dazu wurde das Netzwerk der „Sustainable Concrete Leaders“ ins Leben gerufen. Dieses Netzwerk vereint Projektentwickler und Bauunternehmen, die sich aktiv für den Einsatz von nachhaltigeren Betonen einsetzen. Zu den ersten Mitgliedern gehören namhafte Unternehmen wie Bonava, Covivio und Edge, die bereit sind, innovative und umweltfreundliche Baustoffe in ihre Projekte zu integrieren.
Erfolgreiche Projekte und CO₂-Einsparungen
Das Potenzial der Alcemy-Software zeigt sich bereits in der Praxis. In mehreren Projekten, wie dem Amazon Tower in Berlin, wurde durch den Einsatz von CO₂-reduziertem Beton eine Einsparung von bis zu 55 Prozent im Vergleich zu herkömmlichem Beton erreicht. Solche Erfolgsgeschichten sind nicht nur wichtig für die Umwelt, sondern stärken auch das Bewusstsein für nachhaltige Praktiken in der Bauindustrie.
Die Herausforderung der Akzeptanz
Obwohl die Vorteile der KI-gestützten Betonproduktion klar sind, besteht eine Herausforderung darin, dass erfahrene Zementhersteller lernen müssen, die Empfehlungen der Software zu akzeptieren. Es erfordert oft einen kulturellen Wandel innerhalb der Unternehmen, um datengetriebene Entscheidungen zu akzeptieren und bestehende Rezepturen anzupassen. Die Integration von Sensoren in Betonfahrmischer ist ebenfalls notwendig, um präzise Informationen über die Mischungsverhältnisse zu erhalten.
Die Zukunft der Betonproduktion
Die Gründer von Alcemy sind optimistisch, dass ihre Technologie nicht nur in Deutschland, sondern auch international Fuß fassen wird. Rund 150.000 Tonnen CO₂ werden bereits jährlich durch die Anwendung der Software in über 60 Zement- und Betonwerken eingespart. Die positive Resonanz und der wachsende Markt für nachhaltige Baustoffe zeigen, dass es einen klaren Trend hin zu umweltfreundlicheren Lösungen gibt.
Fazit
Die Beton- und Zementindustrie steht vor einer entscheidenden Wende in der Art und Weise, wie Baustoffe produziert werden. Das Berliner Start-up Alcemy zeigt mit seinem Ansatz, dass Künstliche Intelligenz eine Schlüsselrolle bei der Reduzierung von CO₂-Emissionen spielen kann. Durch die Schaffung von Netzwerken und die Einbindung aller Beteiligten in die Wertschöpfungskette wird nachhaltiger Beton nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch zur Norm. Der Weg zu einer klimafreundlicheren Bauindustrie ist noch lang, aber die Schritte in die richtige Richtung sind bereits sichtbar.
Quellen:
- Der Tagesspiegel
- dpa
- ZEIT für Unternehmer
- industrieBAU