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Der Südwestkirchhof in Stahnsdorf, südwestlich von Berlin, ist Deutschlands zweitgrößter Friedhof und ein Ort der Superlative. Mit einer Fläche von 206 Hektar und über 672 Tier- und Pflanzenarten ist er nicht nur ein Ort der Trauer, sondern auch ein Ort der Natur, Kunst und Kultur. Der Friedhof wurde vor 114 Jahren gegründet, als die Metropole Berlin wuchs und mehr Platz für die Toten benötigt wurde. Heute ist der Südwestkirchhof der zehntgrößte Friedhof der Welt und beherbergt viele historische Grabmale. Der Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeldt kümmert sich seit 34 Jahren um den Südwestkirchhof. Für ihn ist der Friedhof keineswegs nur ein Ort der Trauer, sondern auch ein Kulturraum. Konzerte, Führungen und Events finden regelmäßig statt und locken Besucher an. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Bestattungskultur stark verändert. Die Menschen sind mobiler geworden und reisen der Arbeit hinterher. Früher war immer jemand in der Nähe, der sich um das Grab kümmern konnte. Heutzutage sind viele Menschen auf der Suche nach Alternativen, um ihre Trauer auszudrücken und ihren Verstorbenen zu gedenken. Der Südwestkirchhof bietet diesen Menschen einen Ort, um Gräber zu besuchen und Veranstaltungen zu erleben. Veranstaltungen auf einem Friedhof mögen für einige befremdlich klingen, aber sie sind längst Teil der Friedhofskultur geworden. Als Olaf Ihlefeldt in den 90er-Jahren damit begann, Veranstaltungen auf dem Friedhof zu organisieren, sorgte das für Aufsehen. Doch der damalige Bischof Huber unterstützte ihn und betonte, dass dies eine gelebte Erinnerungskultur sei. Heutzutage sind Veranstaltungen auf Friedhöfen nichts Ungewöhnliches mehr und tragen dazu bei, dass die Friedhöfe belebt werden. Natürlich ist es wichtig, die Pietät und den respektvollen Abstand zu den Toten zu wahren. Es muss immer angemessen sein, welche Veranstaltungen auf einem Friedhof stattfinden. Friedhofsruhe bedeutet nicht Totenstille, sondern dass die Toten in Würde ruhen sollen. Der Südwestkirchhof ist berühmt für seine historischen Grabmale und Prominentengräber. Hier sind Persönlichkeiten wie der Berliner Maler Heinrich Zille, der Komponist Engelbert Humperdinck und Elisabeth Baronin von Ardenne, die als Inspiration für Theodor Fontanes Roman "Effi Briest" diente, begraben. Besonders faszinierend sind die Geschichten, die sich hinter den Gräbern verbergen. Zum Beispiel das Grab des berühmten Stummfilmregisseurs Friedrich-Wilhelm Murnau, der in Hollywood Ruhm erlangte und dann bei einem Autounfall ums Leben kam. Sein Tod führte zu einer großen Solidaritätsaktion von Greta Garbo und Fritz Lang, um seinen Leichnam von Kalifornien nach Deutschland zu überführen. Doch seine Ruhe wurde gestört, als Unbekannte seinen Sarg aufbrachen und seinen Schädel entwendeten. Ein Tabubruch, der die Geschichte des Regisseurs auf tragische Weise spiegelt. Der Südwestkirchhof ist nicht nur ein Ort der Trauer, sondern auch ein Ort der Kunst. Viele der Grabmale sind architektonische Meisterwerke und spiegeln verschiedene Stile wider, wie den Expressionismus. Ein Besuch auf dem Friedhof gleicht einer Reise durch die Geschichte der Kunst. Die Instandhaltung der Gräber ist teuer, daher gibt es sogenannte Grabpatenschaften. Menschen können eine Patenschaft für ein Grab übernehmen und so zur Erhaltung des Friedhofs beitragen. Olaf Ihlefeldt betont, dass solche Patenschaften auch die Möglichkeit bieten, ein Mausoleum selbst zu nutzen. Gruftbestattungen sind in Brandenburg wieder erlaubt und bieten kunstliebenden Menschen die Chance, ihren Platz für die Ewigkeit auszuwählen. Der Südwestkirchhof in Stahnsdorf ist ein Ort der Superlative. Mit seiner wilden Romantik und seiner Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten, den historischen Grabmalen und den regelmäßigen Veranstaltungen ist er weit mehr als ein Ort der Trauer. Er ist ein Ort der Erinnerung, des Gedenkens und der Begegnung. Ein Ort, der zeigt, dass Friedhöfe keine Gruselorte sind, sondern wirklich schöne Orte sein können.
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Kultur

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