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Antisemitismus, Gewalt, Hetze: Die Zahl der israelfeindlichen Straftaten in Berlin hat sich verzehnfacht

In den letzten Jahren hat Berlin eine besorgniserregende Zunahme antisemitischer Straftaten erlebt. Nach dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 haben Polizei und Justiz einen dramatischen Anstieg von Ermittlungsverfahren registriert. Der Antisemitismusbeauftragte der Generalstaatsanwaltschaft, Florian Hengst, stellt fest, dass die terroristischen Angriffe und die darauf folgenden Sympathiekundgebungen für die Täter eine neue Dimension des Antisemitismus eröffnet haben.

Die Gesamtzahl antisemitischer Straftaten in Berlin hat sich im Jahr 2023 im Vergleich zum gesamten Vorjahr mehr als verzehnfacht. In diesem Jahr wurden mindestens 3400 Verfahren eingeleitet. In mehr als 50 Prozent dieser Verfahren konnten bislang keine Verdächtigen ermittelt werden. Darüber hinaus führt die Polizei etwa 5300 weitere Fälle, die noch nicht bei der Staatsanwaltschaft eingegangen sind.

Im Zeitraum von Oktober 2023 bis September 2024 wurden von der Staatsanwaltschaft 740 Verfahren zu antisemitischer Hasskriminalität eingeleitet. Dies entspricht einem dramatischen Anstieg im Vergleich zu den 140 antisemitischen Straftaten, die im gesamten Jahr 2023 registriert wurden. Bis Ende September 2024 wurden bereits 600 antisemitische Straftaten erfasst, wobei in 40 Prozent dieser Fälle noch keine Tatverdächtigen identifiziert werden konnten.

Einer der markantesten Fälle war die gewaltsame Attacke auf den jüdischen Studenten Lahav Shapira am 2. Februar 2024 in Berlin-Mitte, bei der ein 23-jähriger Kommilitone wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt wurde. Die Ermittler gehen von einem antisemitischen Motiv aus.

Der Antisemitismusbeauftragte Hengst erläutert, dass die Schwerpunkte antisemitischer Taten vermehrt Hass und Hetze sowohl auf der Straße als auch im Internet betreffen. Diese äußern sich durch volksverhetzende Parolen, Beleidigungen, Bedrohungen und physische Angriffe auf jüdische Personen. Etwa 100 von den 740 antisemitischen Taten werden zudem als Verfahren zu Straftaten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt geführt. Die Verfolgung dieser Taten stellt die Staatsanwaltschaft vor erhebliche Herausforderungen.

Insgesamt werden derzeit 2130 Straftaten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt von der Staatsanwaltschaft bearbeitet. Der massive Anstieg der Verfahren seit dem Hamas-Angriff ist nicht zu übersehen: Während 2023 lediglich 117 Verfahren in diesem Kontext registriert wurden, sind es im Laufe der ersten drei Quartale 2024 bereits 2000. In zwei Dritteln dieser Fälle konnte bislang kein Tatverdächtiger ermittelt werden.

Zusätzlich zu den antisemitischen Straftaten gibt es seit dem 7. Oktober 2023 auch 1070 Ermittlungsverfahren in Verbindung mit Versammlungen und Demonstrationen, die sich mit dem Nahostkonflikt befassen. Viele dieser Verfahren führen gegen bekannte Tatverdächtige, was den Ermittlern in diesen Fällen einen gewissen Vorteil verschafft. Von allen Fällen – sowohl antisemitischen als auch im Kontext des Nahostkonflikts – wurden über 400 Verfahren miteinander verbunden, da die Beschuldigten mehrfach aufgefallen sind.

Anklagen sind bislang in mehr als 360 Fällen erhoben worden, wobei in den meisten Fällen Geldstrafen beantragt wurden, oftmals ohne mündliche Verhandlung. Nur 20 Täter wurden rechtskräftig verurteilt. Hengst betont die Notwendigkeit einer klaren und konsequenten Verfolgung von antisemitischen Straftaten durch die Strafjustiz, während gleichzeitig die Gesellschaft als Ganzes gefordert ist, gegen antisemitische Positionen aufzutreten und eine klare Haltung zu zeigen.

Die Situation ist nicht nur auf Berlin beschränkt. Auch bundesweit zeigt sich ein dramatischer Anstieg antisemitischer Vorfälle. Laut einer Mitteilung des Bundesinnenministeriums wurden im Jahr 2024 über 3200 antisemitisch motivierte Straftaten registriert, was einer Verdopplung der Zahlen im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Die Zunahme dieser Straftaten ist eng verknüpft mit den Entwicklungen im Nahen Osten, insbesondere dem Konflikt zwischen Israel und der Hamas.

Die Sicherheitsbehörden reagieren auf die bedrohliche Lage und betonen, dass der Schutz von jüdischen Bürgern in Deutschland oberste Priorität hat. Die Verfassungsschutzbehörden haben bereits vor einer Radikalisierung innerhalb der propalästinensischen Protestszene gewarnt. Die aktuellen Ereignisse und der damit verbundene Anstieg antisemitischer Vorfälle lassen die Sicherheitslage in Deutschland als angespannt erscheinen.

In Anbetracht dieser Entwicklungen wird deutlich, dass der Kampf gegen Antisemitismus nicht nur eine Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden ist, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung darstellt. Die Zivilgesellschaft, politische Akteure und Institutionen sind gefordert, um proaktiv gegen Antisemitismus und damit einhergehende Gewalt und Hetze vorzugehen.

Insgesamt zeigt die aktuelle Situation, dass der Antisemitismus in Deutschland nicht nur ein Problem der Vergangenheit ist, sondern auch eine gegenwärtige Bedrohung darstellt, die dringend adressiert werden muss. Der anhaltende Anstieg antisemitischer Straftaten erfordert eine klare Positionierung und aktive Maßnahmen, um die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft zu gewährleisten und eine offene, vielfältige Gesellschaft zu fördern.

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 in Kategorie: 
Politik

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