FragDenStaat-Chefredakteur Arne Semsrott in Berlin vor Gericht: Er veröffentlichte Gerichtsdokumente

Arne Semsrott, der Chefredakteur der Transparenz- und Rechercheplattform FragDenStaat, steht am 16. und 18. Oktober 2024 vor dem Berliner Landgericht, um sich für die Veröffentlichung von Gerichtsbeschlüssen zu verantworten, die Durchsuchungen bei Mitgliedern der Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ betreffen. Die Anklage basiert auf dem Paragraphen 353d Nummer 3 des Strafgesetzbuches, der es verbietet, wörtlich aus amtlichen Dokumenten laufender Strafverfahren zu zitieren. Semsrott wird beschuldigt, gegen dieses Verbot verstoßen zu haben.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützt Semsrott in diesem Verfahren. Laut GFF stellt das Vorgehen gegen Semsrott eine schwerwiegende Bedrohung für die Pressefreiheit dar. Benjamin Lück, Jurist bei der GFF, kritisierte, dass der Paragraph 353d den Medien eine unverhältnismäßige Berichterstattung über laufende Verfahren erschwere. „Absolute Veröffentlichungsverbote, wie das in § 353d, verstoßen gegen die Pressefreiheit. Selbst einzelne Zitate aus Strafakten können in einem Strafverfahren gegen die Journalist*innen enden“, erklärte Lück.

Im August 2023 veröffentlichte Semsrott drei Gerichtsbeschlüsse auf der Plattform FragDenStaat.de, die im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen die „Letzte Generation“ standen. Diese Berichterstattung hatte ein großes öffentliches Interesse geweckt. Semsrott argumentiert, dass er das Risiko der Anklage bewusst eingegangen sei, um auf die verfassungswidrigen Aspekte des Paragraphen aufmerksam zu machen. „Es kann nicht rechtens sein, dass Journalist*innen, die faktenbasiert arbeiten, dafür strafrechtlich verfolgt werden. Schon seit vielen Jahren setzen sich Presseverbände für die Abschaffung des Paragraphen ein“, so Semsrott.

Das Verfahren vor dem Landgericht Berlin hat aufgrund der bedeutenden rechtlichen Fragestellungen im Hinblick auf die Pressefreiheit besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat entschieden, die Anklage beim Landgericht und nicht beim Amtsgericht zu erheben, was auf die Relevanz des Falls hinweist. Ein Urteil könnte bereits am 18. Oktober erfolgen.

Die GFF und andere Organisationen fordern eine Reform des Strafgesetzbuches, um die Pressefreiheit in Deutschland zu stärken. Der Europarat und der Bundesgerichtshof haben in der Vergangenheit ebenfalls auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine Abwägung zwischen dem Schutz der Persönlichkeitsrechte und dem Recht auf Informationsfreiheit vorzunehmen.

Das Verfahren wird öffentlich durchgeführt. Interessierte können am 16. und 18. Oktober 2024, jeweils um 9.30 Uhr, im Berliner Landgericht I, Raum 820, Turmstraße 91, 10559 Berlin, teilnehmen. Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht mit den Argumenten der Verteidigung umgehen wird und ob der Fall möglicherweise höhere Instanzen, einschließlich des Bundesverfassungsgerichts, erreichen wird.

Die Debatte um die Pressefreiheit und den Zugang zu Informationen wird in Deutschland weiterhin intensiv geführt. Der Fall Semsrott könnte dabei entscheidend zur Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen beitragen, unter denen Journalisten arbeiten und berichten dürfen.

Für weitere Informationen und aktuelle Updates zu diesem Fall ist es ratsam, die Berichterstattung über FragDenStaat und die GFF zu verfolgen, da beide Organisationen sich aktiv für die Rechte der Presse und die Informationsfreiheit einsetzen.

Quellen:

  • Gesellschaft für Freiheitsrechte
  • dpa
  • FragDenStaat
  • Der Standard
Veröffentlich
 in Kategorie: 
Politik

Mehr aus dieser

 Kategorie

Alle anschauen