Das Gesellschaftsklima ist nicht inklusions-freundlicher geworden
Vor fünfzehn Jahren wurde die UN-Behindertenrechtskonvention verabschiedet, ein Meilenstein für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. In Deutschland ist der Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz verankert und dennoch gibt es im Bereich der Inklusion, insbesondere im Sport, nach wie vor erhebliche Herausforderungen. Dies wurde erneut deutlich auf einem Festakt im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, an dem unter anderem Sven Albrecht, Geschäftsführer von Special Olympics Deutschland, teilnahm. Albrecht äußerte sich besorgt über die aktuelle Situation und stellte fest, dass das gesellschaftliche Klima in den letzten Jahren nicht inklusionsfreundlicher geworden sei.
Der Fokus auf Inklusion im Sport hat in der Vergangenheit Schwankungen erlebt. Albrecht betonte, dass die Aufmerksamkeit, die durch Veranstaltungen wie die Special Olympics World Games 2023 in Berlin erzeugt wurde, leider nicht konstant ist. Trotz eines gewissen Fortschritts, der seit der Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention erzielt wurde, sind die Ergebnisse unzureichend. Insbesondere die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen am Sport bleibt weit hinter den Erwartungen zurück.
Ein zentrales Problem ist der Rückgang spezifischer Sportangebote für Menschen mit Beeinträchtigungen. Während der Deutsche Olympische Sportbund von einem Rekord an Mitgliedern im organisierten Sport spricht, bleibt die Zahl der Menschen mit Beeinträchtigungen, die an sportlichen Aktivitäten teilnehmen, konstant niedrig. Albrecht hob hervor, dass die meisten Sportangebote für Menschen mit Beeinträchtigungen in speziellen Organisationen der Behindertenhilfe stattfinden, während integrative Angebote für alle Sportler rar sind.
Zusätzlich zu den fehlenden Angeboten gibt es auch bedeutende infrastrukturelle Mängel. Viele Sportstätten sind nicht barrierefrei, was eine Teilhabe für Menschen mit Beeinträchtigungen erschwert. Albrecht appellierte an die Politik, die Schaffung einer barrierefreien Infrastruktur ernsthaft voranzutreiben. „Es ist staatliche und kommunale Aufgabe, sicherzustellen, dass Orte und Anreise barrierefrei sind“, so Albrecht. Hierbei ist ein Beispiel der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark, der als ein Leuchtturm der sportlichen Inklusion geplant ist. Der Umbau des Parks wurde jedoch durch verschiedene Umstände verzögert.
Die Unterstützung durch die Politik ist entscheidend, um Inklusion im Sport nachhaltig zu fördern. Albrecht wies darauf hin, dass ein neues Kinder- und Jugendgesetz, das die Inklusion von Menschen mit geistiger und körperlicher Beeinträchtigung fördern soll, in Arbeit ist. Dabei sind drei Schlüsselmaßnahmen unerlässlich: erstens, der frühzeitige Kompetenzaufbau, um inklusive Bewegungserziehung bereits in Schulen zu gewährleisten; zweitens, das Angebot an inklusiven Sportangeboten zu erweitern; drittens, eine barrierefreie Infrastruktur zu schaffen.
Ein weiterer entscheidender Aspekt ist die gesellschaftliche Veränderung. Albrecht stellte fest, dass das gesellschaftliche Klima sich negativ entwickelt hat. Die Wahlergebnisse in verschiedenen Bundesländern zeigen, dass Inklusion nicht die Priorität hat, die sie verdienen sollte. Die Diskussion über Inklusion wird oft polarisiert und es besteht die Gefahr, dass die Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen nicht ernst genommen werden. Albrecht warnte, dass die derzeitige Situation die Teilhabe und Integration von Menschen mit Behinderungen gefährden könnte.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass trotz der gesetzlichen Grundlagen und der Fortschritte in der Wahrnehmung von Inklusion, die Realität in Deutschland hinter den Erwartungen zurückbleibt. Die Herausforderungen sind vielfältig und erfordern ein gemeinsames Engagement von Politik, Gesellschaft und Individuen, um die Inklusion in allen Lebensbereichen, insbesondere im Sport, zu verwirklichen. Die Inklusion ist nicht nur eine rechtliche Verpflichtung, sondern eine gesellschaftliche Notwendigkeit, die alle Menschen betrifft.
Quellen: rbb|24, Special Olympics Deutschland, UN-Behindertenrechtskonvention