„Mehr Herzlichkeit und weniger Tradition“: Wie Bischof Stäblein und Ex-Fußballer Arne Friedrich die Kirche retten wollen

Die evangelische Kirche in Deutschland sieht sich einem stetigen Mitgliederschwund gegenüber, der auch in der Hauptstadt Berlin deutlich zu spüren ist. Um diesem Trend entgegenzuwirken, haben sich Bischof Christian Stäblein, der ehemalige Fußball-Nationalspieler Arne Friedrich und die Digitalpfarrerin Theresa Brückner zusammengetan. Ihr Ziel ist es, die Kirche für die Menschen relevanter zu gestalten und sie wieder näher an die Bedürfnisse der Gemeinschaft zu bringen.

In der Berliner Grunewald-Kirchengemeinde führt die Gemeindeleitung regelmäßig eine Liste, auf der neue Mitglieder und Austritte vermerkt werden. Die Zahlen sind alarmierend: Während Ende 2023 die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) noch 823.487 Mitglieder zählte, waren es vor zehn Jahren noch über eine Million. Die Gründe für diesen Rückgang sind vielschichtig, werden jedoch häufig auf mangelnde Verbindung zwischen den kirchlichen Angeboten und den Lebensrealitäten der Menschen zurückgeführt.

Die Notwendigkeit des Wandels

Bischof Stäblein betont die Wichtigkeit, den Glauben an Jesus Christus als etwas zu betrachten, das direkt mit dem Leben der Menschen verknüpft ist. „Das Wichtigste sind nicht die Zahlen“, erklärt er, „sondern die Fähigkeit, zu vermitteln, dass der Glaube Bedeutung im Alltag hat.“ Dies ist der Ausgangspunkt für die Diskussionen, die Stäblein mit Friedrich und Brückner führt. Der Bischof fordert eine Rückkehr zu den Wurzeln des Glaubens, die durch persönliche Begegnungen und Gemeinschaft geprägt sind.

Arne Friedrich bringt eine frische Perspektive aus seiner Erfahrung als Sportler in die Diskussion ein. Er ist überzeugt, dass die Kirche offener und zugänglicher werden sollte. Friedrich, der heute eine evangelische Freikirche besucht, spricht sich für „mehr Herzlichkeit und weniger Tradition“ aus. Er erinnert sich an eine Zeit, als er als Spieler mit seinen Kollegen Bibelkreise besuchte, und äußert, dass die Rückmeldung, dies sei eine „Sekte“, ihn tief getroffen hat. Seinen Worten nach sollten Kirchenräume Orte sein, an denen Menschen Empathie und Menschlichkeit erfahren können.

Ein neues Verständnis von Gottesdiensten

Ein zentrales Thema der Gespräche ist die Gestaltung von Gottesdiensten. Friedrich kritisiert, dass häufig alte Lieder und Traditionen in Gottesdiensten verwendet werden, die für die heutige Generation wenig ansprechend sind. Er schlägt vor, dass die Kirche ihre Formate überdenken und anpassen sollte, um relevanter für die Menschen zu sein. „Wenn wir Veränderung wollen, müssen wir auch mit Traditionen brechen“, betont er.

Theresa Brückner, die als Digitalpfarrerin eine große Reichweite auf Social Media hat, unterstützt diesen Ansatz. Sie hebt hervor, dass die Kirche spezifische Zielgruppen ansprechen und sich von der Vorstellung lösen sollte, es allen recht machen zu müssen. „Es ist wichtig, den Fokus auf die Bedürfnisse der Nachbarschaft zu legen und dort anzusetzen, wo die Menschen sind“, erklärt sie. Brückner spricht sich dafür aus, dass die Kirche innovative Ansätze entwickeln sollte, um die Menschen aktiv einzubeziehen.

Gemeinschaft stärken durch persönliche Kontakte

Eine der herausragenden Ideen von Bischof Stäblein ist die Wiederbelebung traditioneller Besuchsformen. Er schlägt vor, dass in jeder Gemeinde Menschen ausgewählt werden, um alle Gemeindeglieder regelmäßig zu Hause zu besuchen. „Das Besuchen und Miteinander ins Gespräch kommen ist eine der ältesten Formen unseres Glaubens und unserer Gemeinschaft“, sagt Stäblein. Er ist der Überzeugung, dass ein solches Engagement die Kirche stärken und die Bindung der Mitglieder an die Gemeinde fördern würde.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bischof Stäblein, Arne Friedrich und Theresa Brückner eine klare Vision für die Zukunft der evangelischen Kirche in Berlin haben. Sie stehen für einen Wandel, der nicht nur die Glaubensinhalte, sondern auch die Art und Weise, wie Kirche gelebt wird, betrifft. Indem sie Herzlichkeit und Offenheit in den Vordergrund stellen, hoffen sie, die Attraktivität der Kirche für die Menschen zu erhöhen und sie wieder zu einem zentralen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens zu machen.

Die Herausforderungen, vor denen die Kirche steht, sind erheblich, jedoch könnte die Kombination aus innovativen Ideen und einer Rückbesinnung auf die ursprünglichen Werte des Glaubens der Schlüssel zur Überwindung dieser Herausforderungen sein. Indem sie sich auf die Bedürfnisse der Menschen konzentrieren und die Traditionen hinterfragen, könnte die evangelische Kirche in Berlin einen neuen Weg einschlagen, der sie in eine positive Zukunft führt.

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