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Neonazi mit Erinnerungslücken: Ehemaliger Mitangeklagter sagt im Prozess zu rechten Anschlägen in Neukölln aus

Im Rahmen eines Berufungsprozesses am Landgericht Berlin äußerte sich Samuel B., ein bekannter Neonazi, zu den Vorwürfen gegen die beiden Hauptverdächtigen Sebastian T. und Tilo P., die in Verbindung mit einer Serie rechter Straftaten in Neukölln stehen. Samuel B. musste als Zeuge aussagen, obwohl er im ersten Prozess selbst auf der Anklagebank gesessen hatte.

„Ich kann mich generell nur sehr schwer an Dinge erinnern“, erklärte B. zu Beginn seiner Aussagen. Dies stellte eine wesentliche Herausforderung für die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft dar, da die Erinnerungslücken des Zeugen die Beweislage komplizierten. Während B. im ersten Prozess schwieg, war er nun gezwungen, sich mit seiner Rolle in den Vorfällen auseinanderzusetzen.

Im ersten Verfahren wurden B. und zwei weitere Rechtsextreme wegen Sachbeschädigungen in mehreren Fällen zu Geldstrafen verurteilt. Die Beweise für die Anklage waren unter anderem Sticker, auf denen das Gesicht des verurteilten NS-Kriegsverbrechers Rudolf Heß abgebildet war, sowie der Schriftzug „Mord verjährt nicht“. Diese Sticker wurden von B. und seinen Komplizen an verschiedenen Orten in Neukölln angebracht.

Samuel B. gab im Prozess zu, dass er „schon mal Sticker geklebt“ habe. Dennoch konnte er sich an die spezifischen Sticker und Aktionen, die Gegenstand der Anklage waren, nicht erinnern. Dies führte zu weiteren Fragen über die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen und den Grad seiner Beteiligung.

Seine Erinnerungslücken erklärte B. mit einem Überfall, den er vor einigen Jahren im Ausland erlitten hatte. Dies habe ihn nachhaltig psychisch belastet und mache es ihm schwer, sich an vergangene Ereignisse zu erinnern. Auch an die polizeiliche Durchsuchung eines von ihm angemieteten Fahrzeugs konnte er sich nicht erinnern, was die ohnehin schon komplexe Situation weiter erschwerte.

Die Beziehungen zwischen Samuel B. und den Hauptangeklagten Sebastian T. und Tilo P. beschreibt er als „lose Bekanntschaft“. Trotz dieser Aussage wird B. von den Sicherheitsbehörden als enger Kontakt von Sebastian T. eingestuft. Beide Männer wurden in der Vergangenheit von Observationsbeamten bei gemeinsamen Aktivitäten beobachtet.

Die Hauptangeklagten, der 41-jährige frühere AfD-Politiker Tilo P. und der 38-jährige ehemalige NPD-Kader Sebastian T., stehen im Verdacht, in der Nacht des 1. Februar 2018 Brandanschläge auf die Fahrzeuge des Buchhändlers Heinz Ostermann und des Linken-Politikers Ferat Koçak verübt zu haben. Daneben sind sie auch wegen weiterer rechtsextremer Taten angeklagt, darunter Schmierereien und Bedrohungen.

Im ersten Prozess wurden die beiden Männer vom Verdacht der Brandstiftung freigesprochen, was auf mangelnde Beweise zurückzuführen war. Zusätzlich ist Sebastian T. wegen des Verdachts des Betrugs im Zusammenhang mit Corona-Subventionen und Sozialleistungen in fünfstelliger Höhe sowie wegen Schwarzarbeit angeklagt. Dies könnte seine rechtlichen Schwierigkeiten weiter verschärfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in beiden Fällen Berufung eingelegt, was den Berufungsprozess notwendig machte. Das Landgericht hat insgesamt 14 Verhandlungstage bis Ende November 2024 angesetzt, um die Vorwürfe eingehender zu prüfen und die Beweise sorgfältig zu werten.

Die immer wiederkehrenden rechtsextremen Vorfälle in Neukölln werfen grundlegende Fragen über die Sicherheitslage in Berlin auf. Das Berliner Landeskriminalamt dokumentiert eine Vielzahl von Straftaten, die zwischen 2016 und 2019 begangen wurden, darunter mindestens 14 Brandstiftungen und zahlreiche Sachbeschädigungen. Trotz dieser Häufung von rechtsextrem motivierten Taten bleibt die Aufklärung oft unzureichend, was in der Öffentlichkeit zu einem Gefühl der Unsicherheit führt.

Im Kontext der Diskussion über Rechtsextremismus und die öffentliche Sicherheit wird immer wieder darüber debattiert, wie die Justiz und die Polizei mit solchen Fällen umgehen. Der Fall von Samuel B. und den anderen Angeklagten steht exemplarisch für die Herausforderungen, die bei der Bekämpfung rechtsextremer Gewalt und der Aufklärung von Straftaten bestehen. Nach wie vor bleibt die Frage offen, inwieweit die Justiz in der Lage ist, eine angemessene Reaktion auf diese fortwährenden Bedrohungen zu bieten.

Die nächste Verhandlung im Berufungsprozess wird mit Spannung erwartet, da sie nicht nur die rechtlichen Konsequenzen für die Angeklagten hat, sondern auch die breitere gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus in Deutschland weiter vorantreiben könnte.

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 in Kategorie: 
Politik

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