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Nicht genug Hilfe für Berlins seelisch kranke Jugendliche

In Berlin steht die Unterstützung von Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen vor großen Herausforderungen. Studien zeigen, dass etwa jeder dritte junge Erwachsene in der Hauptstadt unter psychischen Problemen leidet. Diese alarmierenden Zahlen verdeutlichen die Dringlichkeit, geeignete Hilfsangebote zu schaffen und bestehende Strukturen zu verbessern. Die Situation ist besonders besorgniserregend, da viele betroffene Jugendliche oft nicht die notwendige Hilfe erhalten, die sie so dringend benötigen.

Hintergrund und Herausforderungen

Eine bedeutende Zahl von Kindern und Jugendlichen wächst in Haushalten auf, in denen mindestens ein Elternteil psychisch erkrankt ist. Diese Kinder sind häufig gezwungen, früh Verantwortung zu übernehmen, was zu einer verfrühten Selbstständigkeit führt. Experten betonen, dass diese Kinder oft als „auffällig unauffällig“ gelten, was bedeutet, dass ihre Herausforderungen von Lehrern und anderen Bezugspersonen nicht wahrgenommen werden, weil sie versuchen, nicht negativ aufzufallen. Die Familienverhältnisse bleiben oft ein Geheimnis, was die Suche nach Hilfe zusätzlich erschwert.

Die Erzieherin Koralia Sekler vom Bundesverband für Erziehungshilfe beschreibt, dass Kinder psychisch kranker Eltern häufig Aufgaben übernehmen, welche die erkrankten Eltern nicht erfüllen können. Diese Überforderung führt dazu, dass die Kinder in ihrer Entwicklung zurückbleiben und wesentliche Lebensphasen nicht durchlaufen können. So spricht Sekler von einem erhöhten Risiko, selbst psychisch zu erkranken, was durch verschiedene Studien belegt wird.

Aktuelle Hilfsangebote

In den letzten Jahren hat sich zwar einiges in der Hilfslandschaft verändert, doch viele Betroffene berichten von unzureichenden Angeboten. Neben Beratungsstellen wie Nacoa und KidKit wurde in Berlin das Patenschaftsangebot AMSOC ins Leben gerufen, das es Kindern und Jugendlichen ermöglicht, zeitweise bei einer Bezugsperson zu leben. Solche Initiativen helfen, die erkrankten Eltern zu entlasten, um ihnen eine klinische Behandlung zu ermöglichen.

Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz von 2021 hat zwar den Zugang zu Hilfen erleichtert, dennoch bleibt die Unterstützung in vielen Fällen auf die Erkrankung der Eltern fokussiert. Die Anliegen und Bedürfnisse der Kinder geraten oft aus dem Blick. Der überparteiliche Antrag im Bundestag, der eine bessere Vernetzung der Hilfsangebote fordert, zeigt, dass auch die Politik die Problematik erkannt hat. Laut Bundestagsabgeordneten Bettina Margarethe Wiesmann ist es entscheidend, dass die Familien stabilisiert werden, um eine Fremdplatzierung der Kinder zu vermeiden.

Neue Initiativen und deren Kritik

Eine neue Beratungsstelle namens Soulspace wurde kürzlich eröffnet, um jungen Menschen in psychischen Krisen zu helfen. Trotz der positiven Absichten gibt es bei der Eröffnung Kritik von Betroffenen. Es wird angemerkt, dass bei der Planung keine unabhängigen Betroffeneninitiativen einbezogen wurden, was gegen die Prinzipien der UN-Behindertenrechtskonvention verstößt. Dennoch betonen einige Eltern, dass ein solches Angebot dringend notwendig ist, um rechtzeitig Hilfe zu leisten.

Die Soulspace-Einrichtung richtet sich an junge Menschen zwischen 15 und 35 Jahren und möchte einen niedrigschwelligen Zugang zu psychotherapeutischen Angeboten schaffen. Diese sollen dazu dienen, psychische Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und Stigmatisierung abzubauen. Experten warnen jedoch davor, dass die Anbindung an psychiatrische Kliniken in der Vergangenheit negative Erfahrungen für Betroffene mit sich brachte. Daher bleibt abzuwarten, wie sich diese neue Initiative in der Praxis bewähren wird.

Die Rolle der Selbsthilfe

Die Selbsthilfe spielt eine entscheidende Rolle im Umgang mit psychischen Erkrankungen. Viele Betroffene berichten, dass sie erst durch den Austausch mit anderen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, beginnen konnten, ihre eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Dies zeigt sich auch im Fall von Didi, die erst in einer Selbsthilfegruppe die Möglichkeit fand, über ihre Kindheit in einer von psychischen Erkrankungen geprägten Familie zu sprechen. Der Kontakt zu Gleichgesinnten half ihr, ihre Ängste und Wut zu verarbeiten und neue Lebensmut zu schöpfen.

Eine weitere Herausforderung bleibt die Aufklärung über psychische Erkrankungen. Es ist wichtig, dass sowohl Betroffene als auch Angehörige verstehen, dass Hilfe in Anspruch genommen werden kann, ohne stigmatisiert zu werden. Initiativen, die Informationen und Unterstützung bieten, sind daher von großer Bedeutung.

Fazit und Ausblick

Die Situation für seelisch kranke Jugendliche in Berlin ist komplex und erfordert eine umfassende Betrachtung der Bedürfnisse aller Beteiligten. Während neue Initiativen wie Soulspace Hoffnung auf Verbesserung bieten, bleibt die Umsetzung der erforderlichen Hilfsstrukturen eine Herausforderung. Es ist notwendig, die Unterstützung für betroffene Familien zu stärken und eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Gesundheitsdiensten, Jugendhilfe und anderen relevanten Organisationen zu fördern.

Die Zukunft der psychischen Gesundheit von Jugendlichen hängt von der Fähigkeit ab, auf ihre Bedürfnisse einzugehen und geeignete Hilfsangebote bereitzustellen. Der Dialog zwischen Betroffenen, Fachleuten und der Politik muss intensiviert werden, um nachhaltige Lösungen zu schaffen und das Leben der betroffenen Jugendlichen zu verbessern.

Quellen: rbb24, dpa, Barmer Report

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 in Kategorie: 
Politik

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