Pflichtbesuche in KZ-Gedenkstätten: Debatte zwischen Erinnerungskultur und pädagogischen Herausforderungen
Die Frage nach der Einführung von Pflichtbesuchen für Schüler*innen in Konzentrationslager-Gedenkstätten wird in Deutschland kontrovers diskutiert. Während Bayern und das Saarland die Pflicht für die neunte Jahrgangsstufe bereits eingeführt haben und Hamburg eine Umsetzung plant, gibt es in anderen Bundesländern, wie Berlin und Brandenburg, keine solche Regelung. Wie der rbb24 berichtet, ist Bildung Ländersache. Die Unionsfraktion im Bundestag sprach sich, wie die Welt berichtet, für eine bundesweite Besuchspflicht aus, um „die Erinnerung an die Schrecken der Schoah bei den nachkommenden Generationen wachzuhalten“, so der bildungspolitische Sprecher Thomas Jarzombek (CDU). Als Begründung führt die Union unter anderem den steigenden Antisemitismus an Schulen und Hochschulen sowie Wissenslücken zum Holocaust an. Eine Umfrage der Jewish Claim Conference, auf die rbb24 verweist, ergab, dass zwölf Prozent der 18- bis 29-Jährigen in Deutschland noch nicht vom Holocaust gehört haben.
Die Gedenkstätten selbst stehen einer solchen Pflicht mehrheitlich kritisch gegenüber. Wie die Welt in einer Abfrage der sechs größten KZ-Gedenkstätten berichtet, lehnen diese den Vorschlag der Union ab. Freiwilligkeit sei ein wichtiger Grundsatz der Bildungsarbeit in Gedenkstätten, so Axel Drecoll, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, gegenüber der Welt. Ein Pflichtbesuch könne für junge Menschen eine emotionale Überforderung bedeuten. Auch Arne Pannen, Bildungsleiter der Gedenkstätte Sachsenhausen, äußert sich gegenüber rbb24 skeptisch und befürchtet Abwehrreaktionen bei Schüler*innen. Darüber hinaus sieht er die personellen und finanziellen Kapazitäten der Gedenkstätten als nicht ausreichend an, um den Bedarf bei einer allgemeinen Besuchspflicht zu decken.
Neben der Frage der Freiwilligkeit spielt auch die pädagogische Gestaltung der Besuche eine wichtige Rolle. Wie rbb24 berichtet, betonte eine Lehrerin die Notwendigkeit einer intensiven Vor- und Nachbereitung im Unterricht, um den Besuch effektiv in den Lernprozess einzubetten. Audioguides allein seien kein Ersatz für eine qualifizierte Führung mit der Möglichkeit, Fragen zu stellen.
Die Finanzierung von Gedenkstättenfahrten ist eine weitere Herausforderung. Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) bietet in ihrer Publikation "Fördermöglichkeiten für Fahrten zu Gedenkstätten" einen Überblick über verschiedene öffentliche Förderprogramme auf Landes-, Bundes- und internationaler Ebene. Darüber hinaus gibt es auch private Fördermöglichkeiten, beispielsweise durch Stiftungen. Die bpb betont die Bedeutung eines überzeugenden Konzepts und einer sorgfältigen Projektplanung für ein erfolgreiches Fundraising.
Die Debatte um Pflichtbesuche in KZ-Gedenkstätten verdeutlicht den Spannungsbogen zwischen dem Wunsch nach einer umfassenden Erinnerungskultur und den pädagogischen und praktischen Herausforderungen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Diskussion in Zukunft entwickelt und welche Lösungen gefunden werden, um die Erinnerung an die NS-Verbrechen lebendig zu halten und gleichzeitig eine effektive und sensible Vermittlung an die junge Generation zu gewährleisten.
Quellen:
- https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2025/02/berlin-brandenburg-kz-sachsenhausen-gedenkstaette-schulen-besuchspflicht-cdu.html
- https://www.welt.de/politik/deutschland/article251111848/Union-fuer-Pflichtbesuche-Naive-Vorstellung-dass-KZ-Gedenkstaetten-Laeuterungsanstalten-sind.html
- https://www.bpb.de/die-bpb/foerderung/akquisos/gedenkstaettenfahrten/151164/oeffentliche-foerdermoeglichkeiten-fuer-gedenkstaettenfahrten/
- https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/Foerdermittel%20f%C3%BCr%20Gedenkstaettenfahrten_aktualisiert.pdf