Das Sprachrohr vieler Opfer und Täter
In der Welt der Justiz und Strafverfolgung spielt die Rolle von Dolmetschern eine entscheidende, jedoch oft übersehene Funktion. Eine Berner Dolmetscherin, Maria Neversil, bietet Einblicke in ihren Arbeitsalltag, der von den Herausforderungen geprägt ist, sowohl für Opfer als auch für Täter zu dolmetschen. Ihre Erfahrungen unterstreichen die Bedeutung von Sprache und Kommunikation in sensiblen rechtlichen Kontexten.
Maria Neversil arbeitet häufig in Gerichtssälen, wo sie mit einer Vielzahl von schwierigen und emotionalen Themen konfrontiert wird. Ihre Aufgabe ist es, die Worte der Beteiligten zu übersetzen, seien es die schweren Vorwürfe gegen einen Angeklagten oder die eindringlichen Erklärungen eines Opfers. Dies erfordert nicht nur sprachliche Fähigkeiten, sondern auch eine emotionale Belastbarkeit, da die Inhalte oft schmerzhaft und verstörend sind. Neversil selbst sagt: „Mit der Zeit verliert man den Glauben an das Gute im Menschen.“ Diese Aussage reflektiert die Herausforderungen, die sie in ihrem Beruf bewältigen muss.
Die Dolmetscherin berichtet, dass ihre Einsätze sie emotional stark beanspruchen. Nach langen Prozesstagen ist es für sie wichtig, einen Weg zu finden, den Stress abzubauen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. In ihren Sitzungen interpretiert sie nicht nur die Worte, sondern auch die Emotionen und die Dramatik der Situationen. Dies wird besonders deutlich, wenn sie unter Druck steht, die Worte von beiden Seiten - sowohl von den Tätern als auch von den Opfern - zu vermitteln. Sie muss oft zwischen den emotionalen Welten der Beteiligten hin und her navigieren, was eine anspruchsvolle Herausforderung darstellt.
Ein weiterer Aspekt ihrer Arbeit ist die Vielfalt der Fälle, die sie behandelt. Dazu gehören Themen wie Drogenhandel, Raub, häusliche Gewalt und sexuelle Übergriffe. Bei jedem dieser Fälle ist es entscheidend, dass die Dolmetscherin die jeweilige Nuance der Sprache richtig erfasst, um sicherzustellen, dass die Justiz fair und korrekt gehandelt wird. In vielen Fällen sind die Geschädigten dazu gezwungen, traumatische Erlebnisse erneut zu durchleben, während sie vor Gericht ihre Aussagen machen. Die Dolmetscherin spielt hier eine Schlüsselrolle, indem sie eine Plattform bietet, auf der die Stimmen dieser Menschen gehört werden können.
Neversil ist sich der Verantwortung bewusst, die mit ihrer Rolle einhergeht. Sie erklärt, dass sie nicht nur die Worte, sondern auch die Emotionen, die hinter diesen Worten stecken, transportiert. Diese Fähigkeit ist unerlässlich, um die Wahrheit und die Realität der Situation richtig zu reflektieren. Ihre Arbeit als Dolmetscherin ist somit nicht nur eine sprachliche Übersetzung, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Gerechtigkeit, indem sie den Zugang zu einem System ermöglicht, das oft für die Betroffenen unverständlich ist.
In der Gesellschaft gibt es ein zunehmendes Bewusstsein für die Herausforderungen, die mit der Rolle von Dolmetschern in der Justiz verbunden sind. Es wird erkannt, dass diese Fachkräfte nicht nur Übersetzer sind, sondern auch als Vermittler zwischen Kulturen und verschiedenen Lebensrealitäten fungieren. Dies ist besonders relevant in einer multikulturellen Gesellschaft, in der viele Menschen aus unterschiedlichen Hintergründen und mit unterschiedlichen Sprachen in Konfliktsituationen geraten.
Die Herausforderungen, vor denen Dolmetscher stehen, sind nicht nur sprachlicher Natur. Sie müssen auch mit den emotionalen und psychologischen Belastungen umgehen, die mit den Themen Gewalt, Trauma und Ungerechtigkeit verbunden sind. In vielen Fällen sind die Dolmetscher selbst mit schwierigen ethischen Fragen konfrontiert, insbesondere wenn sie zwischen den Perspektiven von Tätern und Opfern vermitteln müssen. Dies erfordert nicht nur Fachwissen, sondern auch eine hohe emotionale Intelligenz.
Die Bedeutung von Dolmetschern wird auch in der Forschung und in verschiedenen Studien hervorgehoben. In einem Bericht wurde festgestellt, dass Dolmetscher oft als „Sprachrohr“ für beide Seiten fungieren, was die Notwendigkeit unterstreicht, ihre Rolle und ihre Herausforderungen besser zu verstehen. Es wird zunehmend erkannt, dass die Qualität der Dolmetschdienste einen direkten Einfluss auf die Gerechtigkeit haben kann. In diesem Kontext wird die Forderung nach mehr Schulungen und Ressourcen für Dolmetscher lauter, um sicherzustellen, dass sie in der Lage sind, ihre wichtige Arbeit effektiv zu leisten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Arbeit eines Dolmetschers in der Justiz sowohl herausfordernd als auch unverzichtbar ist. Sie sind die Verbindung zwischen den Menschen und dem Rechtssystem und tragen dazu bei, dass Stimmen gehört werden. Maria Neversil lebt dies in ihrem beruflichen Alltag und zeigt, dass Dolmetschen mehr ist als nur das Übertragen von Wörtern – es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die Empathie, Verständnis und eine tiefe Kenntnis der menschlichen Emotionen erfordert.