Nach der tödlichen Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt am Freitagabend herrscht tiefe Trauer und Fassungslosigkeit. Fünf Menschen, darunter ein neunjähriges Kind, verloren ihr Leben, und über 200 wurden verletzt. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg bestätigte, dass vier der erwachsenen Opfer aus dem Großraum Magdeburg stammten und 45, 52, 67 und 75 Jahre alt waren. Das neunjährige Kind lebte erst seit kurzer Zeit in Niedersachsen. Gegen den mutmaßlichen Täter, den 50-jährigen Taleb A., wurde Haftbefehl erlassen. Wie MDR SACHSEN-ANHALT berichtet, befindet er sich in einem besonders gesicherten Haftraum der JVA Burg.

Die Tat wirft zahlreiche Fragen auf, vor allem in Bezug auf das Motiv des Täters und das vorherige Handeln der Behörden. MDR INVESTIGATIV zufolge hatte die Polizei Magdeburg Taleb A. bereits eine schriftliche Gefährderansprache geschickt, nachdem dieser in einer E-Mail an die Kölner Staatsanwaltschaft geschrieben hatte: "Daher habe ich kein schlechtes Gewissen für die Ereignisse die in den nächsten Tagen passieren werden (...)." Die Polizei wollte sich aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht dazu äußern, ob zuvor eine persönliche Gefährderansprache versucht wurde und wie Taleb A. auf das Schreiben reagiert hat.

Taleb A. arbeitete als Facharzt für Psychiatrie und kam 2006 nach Deutschland. 2016 wurde ihm Asyl als politisch Verfolgter gewährt. Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung zeigen, dass er in den sozialen Medien aktiv war und dort mit Gewaltandrohungen auffiel. Er bezeichnete sich selbst als "aggressivsten Kritiker des Islams" (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Juni 2019). Gleichzeitig sympathisierte er laut seinen Online-Aktivitäten mit der AfD.

Besonders schwerwiegend ist die Information des Spiegel, die sich auf das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern beruft, dass Taleb A. bereits 2013 mit einem Terroranschlag gedroht hatte. Damals lebte er in Stralsund und stritt sich mit der Ärztekammer über die Anerkennung seiner Prüfungsleistungen. In diesem Zusammenhang drohte er mit einer Tat, die international für Aufsehen sorgen würde, und bezog sich dabei auf den Anschlag beim Boston-Marathon. Trotz einer Wohnungsdurchsuchung und Ermittlungen konnten damals keine konkreten Hinweise auf Anschlagspläne gefunden werden. Auch im Asylverfahren 2016 spielte die Verurteilung wegen dieser Drohung offenbar keine Rolle.

Im Nachgang des Anschlags wird auch das Sicherheitskonzept des Magdeburger Weihnachtsmarktes hinterfragt. Gegenüber dem Stern kritisierte Sicherheitsexperte Christian Schneider das Fehlen eines wirksamen Zufahrtsschutzes. Poller und Barrieren, wie sie nach dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz Standard sind, hätten die Tat möglicherweise verhindern können.

Die Magdeburger Lichterwelt auf dem Domplatz soll an Heiligabend wieder erstrahlen. Die Verantwortlichen des Weihnachtsmarktes wollen damit in diesen schweren Stunden ein Zeichen der Hoffnung setzen. Zahlreiche Menschen haben vor der Johanniskirche Blumen und Kerzen für die Opfer niedergelegt. Ein Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit sowie der DGB in Sachsen-Anhalt rufen in einer "Magdeburger Erklärung" dazu auf, die Tat nicht politisch zu instrumentalisieren und die Trauer der Betroffenen zu respektieren.

Quellen:

  • MDR SACHSEN-ANHALT
  • MDR INVESTIGATIV
  • WDR, NDR, Süddeutsche Zeitung
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung
  • Spiegel
  • Stern
Veröffentlich am 
22/12/2024
 in Kategorie: 
Politik

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