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Kein „Union Busting“ in Berlin?: Kaum Delikte wegen der Verhinderung von Betriebsratsarbeit

Kein „Union Busting“ in Berlin?: Kaum Delikte wegen der Verhinderung von Betriebsratsarbeit

In Berlin gibt es derzeit nur wenige Anzeigen wegen der Behinderung von Betriebsratsarbeit, was Fragen zur Wirksamkeit des bestehenden Rechtsrahmens aufwirft. In diesem Kontext wird von verschiedenen Akteuren, darunter Politiker und Gewerkschaftsvertreter, die Notwendigkeit betont, das Thema „Union Busting“ ernster zu nehmen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Rechtliche Grundlagen und aktuelle Situation

Laut Artikel 9 des Grundgesetzes hat jeder das Recht, zur Wahrung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen eine Vereinigung zu bilden. Dies schließt auch die gewerkschaftliche Tätigkeit und das Engagement in Betriebsräten ein. Dennoch zeigt sich, dass verstärkte Bemühungen von Arbeitgebern, die Bildung und Arbeit von Betriebsräten zu verhindern, nicht ausreichend rechtlich verfolgt werden.

„Union Busting“ beschreibt die strategischen Ansätze von Arbeitgebern, die darauf abzielen, gewerkschaftliche Aktivitäten und die Gründung von Betriebsräten zu unterdrücken. Dies kann durch Drohungen, Einschüchterungen oder andere Druckmittel geschehen. Der Paragraf 119 des Betriebsverfassungsgesetzes sieht zwar Strafen für solche Handlungen vor, jedoch werden diese nur auf Antrag der Betroffenen verfolgt. In der Praxis bedeutet das, dass viele Fälle unbeachtet bleiben.

Fallbeispiele und Herausforderungen

Ein Beispiel für die Schwierigkeiten, die mit der Verfolgung von „Union Busting“ verbunden sind, ist der Fall des Lieferdienstes Gorillas. Hier gab es Berichte über Versuche des Unternehmens, eine Betriebsratswahl zu verhindern. Trotz gerichtlicher Entscheidungen, die diese Versuche zurückwiesen, bleibt die Frage, inwieweit solche Vorfälle rechtlich geahndet werden.

Die Staatsanwaltschaft hat in den letzten Jahren nur wenige Verfahren wegen der Behinderung von Betriebsräten eingeleitet. Nach Angaben des Justizsenats gab es im Jahr 2021 drei Verfahren, im Jahr 2020 neun und im Jahr 2019 vier. Diese geringen Zahlen werfen das Licht auf die geringe Bereitschaft, solche Delikte zu verfolgen. Viele Betroffene sehen sich somit einem erheblichen Risiko ausgesetzt, ohne rechtliche Unterstützung zu bleiben.

Politische Reaktionen und Forderungen

Im Abgeordnetenhaus von Berlin wird derzeit über einen Antrag diskutiert, der darauf abzielt, innerhalb der Staatsanwaltschaft spezialisierte Einheiten einzurichten, die sich mit Fällen von „Union Busting“ befassen. Der Vorschlag kommt von den Koalitionsfraktionen Rot-Grün-Rot und zielt darauf ab, die Überlastung der Staatsanwaltschaften zu verringern und die Verfolgung von Vergehen gegen die Rechte von Betriebsräten zu verbessern.

Gewerkschaftsvertreter fordern eine umfassende Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, um die Be- und Verhinderung von Betriebsräten zu einem Offizialdelikt zu machen. Sebastian Riesner, Chef der Berliner Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, bezeichnet den Paragrafen 119 als „zahnlosen Tiger“ und betont die Notwendigkeit einer effektiveren rechtlichen Handhabe.

Die Rolle der Staatsanwaltschaft und mögliche Reformen

Die Staatsanwaltschaft ist für die Verfolgung von Straftaten zuständig, doch es besteht die Herausforderung, dass viele Verstöße nur auf Antrag der Betroffenen verfolgt werden. Dies bedeutet, dass ohne eine aktive Meldung von Arbeitnehmervertretern die Behörden nicht tätig werden. Diese Form der Strafverfolgung ist in der Praxis oft unzureichend, da viele Betroffene aus Angst vor Repressalien oder aufgrund von Unsicherheiten über ihre rechtlichen Möglichkeiten zögern, Schritte zu unternehmen.

Eine zentrale Forderung von Gewerkschaften und politischen Parteien ist die Einführung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die Ermittlungen bei Verdachtsfällen von „Union Busting“ eigenständig aufnehmen können. Dies könnte dazu führen, dass mehr Fälle vor Gericht gebracht werden und Unternehmen, die gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstoßen, konsequenter zur Verantwortung gezogen werden.

Schlussfolgerung und Ausblick

Die derzeitige Situation in Berlin zeigt, dass trotz der bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen nur wenige Fälle von „Union Busting“ tatsächlich zu rechtlichen Konsequenzen führen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die politischen Diskussionen und möglichen Reformen entwickeln werden. Die Einführung spezialisierter Einheiten innerhalb der Staatsanwaltschaft und eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes könnten entscheidende Schritte in die richtige Richtung sein.

Die Herausforderungen, vor denen Betriebsräte und Gewerkschaften stehen, sind vielschichtig und erfordern ein gemeinsames Vorgehen von Politik, Gewerkschaften und der Gesellschaft, um die Rechte von Arbeitnehmern in Deutschland nachhaltig zu schützen.

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 in Kategorie: 
Politik

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