Eine repräsentative Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) vom Mai 2024 belegt die zunehmende Feindseligkeit gegenüber Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland. Fast die Hälfte der Befragten (45 Prozent) gab an, bereits Anfeindungen erlebt zu haben. Diese reichen laut rbb24 von der Abwertung ihrer Arbeit über Beleidigungen und Bedrohungen bis hin zu tätlichen Angriffen, sowohl online als auch offline, im Alltag, am Arbeitsplatz und auf der Straße.

Forschende, die sich mit kontroversen und politisch sensiblen Themen wie Klimawandel, Gender Studies oder der Coronapandemie auseinandersetzen, scheinen besonders gefährdet zu sein. Der Konfliktforscher Daniel Saldivia Gonzatti vom Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung berichtete rbb24 beispielsweise von Anfeindungen und rassistischen Äußerungen im Anschluss an ein Interview bei tageschau24 über die Bauernproteste. Auch der Virologe Christian Drosten war während der Coronapandemie, wie allgemein bekannt ist, wiederholt Ziel von Anfeindungen und Bedrohungen, selbst im Familienurlaub und bei öffentlichen Vorträgen.

Die im Juni 2023 gegründete Hilfseinrichtung Scicomm-Support registriert ebenfalls einen Anstieg derartiger Vorfälle. Wie rbb24 berichtet, offeriert Scicomm-Support betroffenen Wissenschaftlern eine Notrufnummer sowie strategische, psychologische und juristische Beratung. Der Hilfs-Leitfaden der Organisation wurde seit ihrer Gründung über 2.300 Mal heruntergeladen und in 52 Fällen wurde eine kontinuierliche Beratung in Anspruch genommen. Fast 500 Wissenschaftskommunikatoren haben bereits an präventiven Trainings-Workshops teilgenommen.

Julia Wandt von Scicomm-Support erklärte gegenüber rbb24, dass Frauen oft Zielscheibe persönlicherer Angriffe seien, die sich auf ihr Aussehen oder ihre Frisur beziehen und ihre Kompetenz allein aufgrund ihres Geschlechts in Frage stellen. Diese Erfahrung teilt auch die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), die laut rbb regelmäßig sexistischen Beleidigungen ausgesetzt ist und darin den Versuch sieht, Wissenschaftlerinnen einzuschüchtern und vom öffentlichen Äußern ihrer Forschungsergebnisse abzuhalten.

Die Anfeindungen betreffen nicht nur prominente Wissenschaftler. Wie Julia Wandt von Scicomm-Support berichtet, erreichen sie Forschende aus nahezu allen Fachbereichen, von den Natur- über die Geisteswissenschaften bis hin zur Theologie. Die Art der Anfeindungen reicht von Briefen und Anrufen über verbale Attacken im öffentlichen Raum bis hin zu physischer Gewalt.

Eine Studie des Projektverbundes "Kapazitäten und Kompetenzen im Umgang mit Hassrede und Wissenschaftsfeindlichkeit (KAPAZ)" am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft, über die tagesschau.de berichtete, belegt, dass 70 Prozent der Befragten eine Zunahme der Wissenschaftsfeindlichkeit beobachten. Fast die Hälfte gab an, selbst mindestens eine Form von Wissenschaftsfeindlichkeit erfahren zu haben. Die Studie unterscheidet dabei zwischen verletzender Kritik, unangemessenen Reaktionen, aktiver Diskriminierung, Zensurversuchen, Hassrede, Drohungen, Vandalismus und strafrechtlich relevanten Handlungen.

Die Studie zeigt auch, dass die Anfeindungen häufig zu Verunsicherung und dem Wunsch nach mehr Unterstützung im Umgang mit solchen Situationen führen. Die Forschungsprogrammleiterin Nataliia Sokolovska sieht die Gefahr, dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Angst vor Anfeindungen aus der Öffentlichkeit zurückziehen und wichtige Themen aus dem öffentlichen Diskurs verschwinden. KAPAZ will daher Hilfestrukturen für Betroffene schaffen, darunter einen Helpdesk, Leitlinien für Forschungseinrichtungen und Trainingsprogramme.

Quellen:

- rbb24: Berlin Brandenburg: Hilfseinrichtung Scicomm-Support: Anfeindungen gegen Wissenschaftler nehmen zu (04.12.2024) - rbb24: Repräsentative Studie: Fast jeder zweite Wissenschaftler berichtet von Anfeindungen (16.05.2024) - tagesschau.de: Verständnis für Wissenschaft nimmt ab, Anfeindungen nehmen zu (23.08.2024) - Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW): Von Hassrede bis Morddrohungen: Anfeindungen in der Wissenschaft sind ernstzunehmendes Problem (16.05.2024) - Deutsches Ärzteblatt: Befragung: Fast jeder zweite Wissenschaftler erlebte Anfeindungen (17.05.2024)
Veröffentlich am 
December 4, 2024
 in Kategorie: 
Politik

Mehr aus dieser

 Kategorie

Alle anschauen