Hundert Jahre soziales Wirken: Die Freie Wohlfahrtspflege feiert Jubiläum
Am 22. Dezember 1924, vor einem Jahrhundert, wurde in Berlin die Deutsche Liga der Freien Wohlfahrtspflege gegründet – ein bedeutsames Ereignis für die Entwicklung des deutschen Sozialstaates. Wie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) berichtet, entstand die Liga inmitten der gesellschaftlichen Umbrüche und Krisen der Nachkriegszeit nach dem Ersten Weltkrieg. Die Weimarer Republik, trotz ihrer auf Sozialstaatlichkeit und Demokratie basierenden Verfassung, sah sich enormen Problemen gegenübergestellt: Armut aufgrund von Krieg und Inflation betraf breite Bevölkerungsschichten, und die Demokratie war gefährdet.
Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die bis heute bestehende enge Kooperation zwischen öffentlicher und privater Fürsorge, die prägend für das deutsche Sozialsystem ist. Die Freie Wohlfahrtspflege, deren Wurzeln in der christlichen und jüdischen Nächstenliebe liegen, übernahm eine tragende Rolle bei der Unterstützung Bedürftiger. Die Gründung der Liga bündelte die Kräfte verschiedener Wohlfahrtsverbände, um gemeinsam den sozialen Herausforderungen zu begegnen.
Die Geschichte der Freien Wohlfahrtspflege reicht weit zurück. Entstanden im 19. Jahrhundert als Reaktion auf die soziale Not der Industrialisierung, gründeten sich zahlreiche private Hilfsorganisationen. Das "socialnet Lexikon" beschreibt, wie in dieser Zeit die Fundamente der heutigen Spitzenverbände gelegt wurden, darunter die Innere Mission (Vorläufer der Diakonie) und der Deutsche Caritasverband. Der Erste Weltkrieg steigerte den Bedarf an sozialer Unterstützung, führte zur Ausweitung staatlicher Leistungen und intensivierte die Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsorganisationen.
Das Subsidiaritätsprinzip ist ein Kernmerkmal der Freien Wohlfahrtspflege: Staatliche Hilfe greift erst dann ein, wenn Selbsthilfe und Unterstützung durch kleinere Einheiten nicht ausreichen. Wie ein Artikel von "Z(W)EITZEICHEN" zum 100. Geburtstag der BAGFW ausführt, wurde dieses Prinzip in der Weimarer Republik in die Fürsorgegesetzgebung integriert. Die Reichsfürsorgepflichtverordnung von 1924 räumte der privaten Fürsorge der Freien Wohlfahrtspflege sogar Vorrang vor staatlichen Trägern ein.
Die bewährte Zusammenarbeit zwischen Staat und Freier Wohlfahrtspflege besteht bis heute fort. Die Wohlfahrtsverbände, darunter Diakonie, Caritasverband, Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz, Paritätischer Wohlfahrtsverband und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, unterhalten zahlreiche Einrichtungen und Dienste in Bereichen wie Altenhilfe, Kinder- und Jugendhilfe, Behindertenhilfe und Gesundheitswesen. Die "Freie Wohlfahrtspflege Bayern" verdeutlicht auf ihrer Webseite das Ausmaß des Engagements: Allein in Bayern sind rund 455.000 hauptamtliche und 136.500 ehrenamtliche Mitarbeiter in diesem Sektor tätig.
Auch im 21. Jahrhundert steht die Freie Wohlfahrtspflege vor neuen Herausforderungen. Demografischer Wandel, wachsende soziale Ungleichheit und die Integration von Geflüchteten erfordern neue Konzepte und innovative Ansätze. Die BAGFW unterstreicht die Bedeutung der Kooperation zwischen Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft, um den sozialen Zusammenhalt zu festigen und jedem Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen.
Quellen:
- socialnet Lexikon: Freie Wohlfahrtspflege
- Z(W)EITZEICHEN: Im Interesse der Benachteiligten
- Freie Wohlfahrtspflege Bayern
- BAGFW: Geschichte der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland
- rbb24: Vor 100 Jahren wurde die Freie Wohlfahrtspflege gegründet